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Königliche Särge und Sarkophage des Neuen Reichs

Das ägyptische Neue Reich, in das die Betrachtungen des anzuzeigenden Bandes zeitlich fallen, ist kunst- wie kulturhistorisch eine der Blütephasen der verschiedenen pharaonischen Epochen. Neben Gräbern und Tempeln haben sich an materiellen Dingen zudem Statuen und viele Arten an Kleinobjekten dieser Zeit bis heute erhalten. Auswertungen sind angesichts der Fülle an Gegenständen meistens auf einzelne Objektgruppen beschränkt. So auch dieses Buch von Patrick Farsen, der sich dem Bestattungszubehör der Herrscherfamilien angenommen hat, beginnend mit der 17. Dynastie und mit der 20. Dynastie endend (ab ca. 1680-1129 v. Chr.). In seine Arbeit hat er die Särge der Regenten der 18., 19. und 20. Dynastie aufgenommen, ergänzt um deren Sarkophage und die sog. inneren Särge, die in der thebanischen Gräbernekropole aufgestellt waren. Wo es für Farsen erreichbar war, sind ebenfalls Totenkisten von Königinnen abgehandelt worden. Weiteres Grabmobiliar ist nicht berücksichtigt, weshalb der im Untertitel erwähnte Begriff „Bestattungszubehör“ zu weit gefasst ist. Diese stellt er dem Leser formalisiert mit technischen Daten, Beschreibung und kritischer Würdigung zeitlich sortiert vom ältesten zum jüngsten Objekt vor, damit dieser leicht seiner These folgen kann, eine Entwicklung in der Einsargung der Pharaonen abzulesen.
In sein Werk und in seine Methodik führt Farsen den Leser mit einer „Einleitung“ (S. 7-10) ein, auf die er eine „Typengeschichte und Formentwicklung“ (S. 12) sowie den Abschnitt „Königliche Sarkophage des Neuen Reichs“ (S. 12-20) folgen lässt. Dabei macht er bereits auf die eigentliche Problematik seines Buches aufmerksam, ohne diese jedoch zu thematisieren bzw. aufzulösen: Generell zeige sich bei den Särgen und Sarkophagen das Problem der Erhaltung, schreibt Farsen. Damit meint er, wie er anschließend ausführt, dass teilweise keine Sarkophage erhalten sind, sie zerstört oder umgewidmet wurden, wie auch die Särge unvollständig erhalten oder anderen Herrschern als den ursprünglichen Besitzern bei einer Nachbestattung mitgegeben wurden. Ein Ensemble Sarkophag/Sarg gibt es daher eigentlich nur bei Tutanchamun (um 1333-1324 v. Chr.), wie der Verfasser richtig festhält. Mit dieser Bemerkung stellt er aber seine eigene Methodik infrage, die auf einer zeitlich bedingten Typologie bei der Entwicklung von Sarkophagen und/oder Särgen aufbaut. Denn eben außer Tutanchamun besitzen wir keine originäre Bestattung auch nur einer der Könige des Neuen Reiches, denn alle anderen Königsmumien wurden in den Sammelgräbern Deir el-Bahari (DB) Grab Nr. 320 oder im Königsgrab (KV) des Amenophis II. (1425-1400 v. Chr.) mit der durchgehenden Nummerierung 35 gefunden, nachdem mit dem Ende des Neuen Reiches die Mumien aus den oftmals bereits geplünderten Königsgrüften endgültig an einem sicheren Ort neu bestattet wurden; bereits in der 20. Dynastie sind Umbettungen und Zusammenlegungen von Herrschern belegbar, so waren z. B. Ramses I. (1292-1291 v. Chr.) und Ramses II. (1279-1213 v. Chr.) von der Priesterschaft des thebanischen Friedhofs in das Grab Nr. 17 des Sethos’ I. (1290-1279 v. Chr.) überführt worden. Von dort wurden die drei Leichname im 10. Regierungsjahr des Siamun (um 968 v. Chr.) in die Grablege der Königin Inhapis verlegt, von wo sie mit weiteren Körpern im Regierungsjahr 11 des Scheschonq (um 934 v. Chr.) nach Deir el-Bahari 320 verlegt wurden. Die Mumien und ihr Sarg wurden bei diesen Gelegenheiten restauriert, leider ist oftmals unbekannt, was über die Jahrhunderte hinweg im Einzelnen an Veränderungen vorgenommen wurde. Damit stellt sich die Frage, wie angesichts dieses archäologischen Befundes eine gesicherte typologische Chronologie hergeleitet werden soll. Eine Antwort darauf bleibt der Band schuldig.
Ferner nicht kritiklos nachvollziehbar sind seine Begriffsbestimmungen: Sarkophage dienen nach Farsen dem unmittelbaren Schutz des Körpers, weshalb sie aus „soliden Materialien“ (S. 7) gearbeitet wurden, kontrastierend setzt er definitorisch Särge als Leichenbehältnisse aus anderen Werkstoffen wie Holz oder Edelmetall dagegen. So formuliert vermittelt der Autor dem Leser, dass es vor allem die monumentalen Granit- oder Dioritsärge gewesen wären, denen der Ägypter den Schutz des konservierten Körpers anvertraut hätte. Dies stimmt so nicht, blickt man auf die Bestattung der Leichname in Sammelgräbern ohne Sarkophage. Besonders deutlich wird dies, betrachtet man das Grabensemble Tutanchamuns, das voll an religiös-magischen Abwehrzaubersprüchen ist, z. B. der Totenbuchspruch 30 auf seiner Totenmaske. Die Wahl des Materials dürfte eher etwas mit der Nähe zum Leichnam des Königs zu tun haben: Je näher das Bestattungsutensil dem toten König beigegeben wurde, desto wertvoller musste es sein.
Der Übersichtlichkeit des Buches hätte es geholfen, die Nachbestattungen und Usurpationen tabellarisch aufzulisten. Ebenso hätte Farsen wenigstens kurz anreißen müssen, wo auf der thebanischen Westseite sich die Gräber der 17., 18., 19. und 20. Dynastie befunden haben, denn über die Lage der Grüfte lassen sich Brüche erkennen, die unter Umständen auch Folgen bei der Gestaltung der Sarkophage und Särge nach sich ziehen. Hierbei wäre auch deutlich geworden, dass Hatschepsut am Beginn der Grabbelegung im Tal der Könige eine zentrale Rolle spielt, da sie ihren Vater Thutmosis I., ihren Mann und zugleich Halbbruder Thutmosis II. und sich selbst als königliche Gemahlin und als Königin teilweise mehrfach bestatten ließ. Alle Sarkophage und Särge jener Herrscher müssen daher als Konvolut analysiert werden und nicht wie durch den Autor geschehen nach chronologischen Kriterien, die nicht belegbar sind. Der Versuch einer Typologie scheitert also, da zum einen die frühen Zeugnisse der 18. Dynastie fehlen, zum anderen in der Amarnazeit ein theologisch-gesellschaftlicher und topografischer Bruch im königlichen Bestattungswesen stattfindet und des Weiteren in der 19. und 20. Dynastie Usurpationen zu viel interpretatorischen Spielraum schaffen, um sicher feststellen zu können, welcher Sarkophag für welchen König zu welcher Zeit geschaffen wurde. Daher sollte bei der Betrachtung des Buches der Katalogteil im Fokus liegen.
Die Beschreibung der einzelnen Objekte vermerkt jeweils Material, Maße, Herkunft, Datierung und Standort tabellarisch, Erläuterungen und Besonderheiten zu einem Stück sind als Fließtext gestaltet. Inhalt und Aufbau dieser Texte variiert stark. So ist z. B. bei den Katalognummern 1, 12, 14 und 18 ein übersetzter Textauszug vom Sarkophag mitgegeben, bei Nr. 19 a und b eine Beschreibung der Unterweltsbücher ohne Übersetzung und bei anderen kein Verweis oder eine Übertragung auf einen Jenseitsführer. Der Angabe, welcher der Totentexte auf Sarkophagen zu finden ist, hätte ergänzend auch deren Vorkommen in den entsprechenden Gräbern zur Seite gestellt werden müssen, da sich die Dekoration der Grabwand auf dem Leichenbehältnis fortsetzen kann. Einigen Sarkophagen ist ein Übersichtsschema einer der Seiten beigegeben, anderen wiederum ein Foto. Dies scheint eher zufällig geschehen zu sein, eine klare Systematik ließe sich wenn nur schwer erkennen. Strukturierter ist die Bebilderung der Särge, denen jeweils eine Umzeichnung des beschriebenen Objekts beigegeben ist, die jedoch nicht alle getuscht worden sind und teilweise eine sehr ungeübte Hand erkennen lassen. Ihre Beschreibung ist Farsen gleichfalls deutlich besser gelungen. Jedoch hätte sein Exkurs zur Fundgeschichte und zu den Überlieferungslücken zu Beginn des Kapitels 2 („Königliche Särge des Neuen Reiches“, S. 96ff.) in die Einleitung zum Buch auf Seite 7ff. verschoben sein müssen. Ein Hinweis auf die sog. Grabräuberpapyri, in denen unter anderem festgehalten wird, welche Gräber zur Zeit der Abfassung des Textes in der 20. Dynastie bereits geplündert waren und was mit den Särgen und Mumien der Könige geschehen war, hätte dieses Kapitel anschaulicher gemacht und die zuvor angesprochene Problematik der Neueinsargung der Pharaonen erläutert.
Die Chronologie zu Beginn des Neuen Reiches hätte der Veröffentlichung von Daniel Polz (2007) angeglichen werden sollen, die auf dessen Grabungsergebnissen basiert. Dies bedeutet, Farsen hätte den Herrscher Antef Wep-Maat vor Antef Nub-Cheper zu setzen und hätte unter Katalognummer 35 auf den (längst bekannten) Exkurs zu Tao I. und II. verzichten können.
Auf die ungestörte Bestattung von Juja und Tuja als Verwandte des Königshauses der 18. Dynastie hätte eingegangen werden können. Die Rückführung des Sargunterteils Katalognummer 50 wurde durch Rolf Krauss angestoßen, nicht durch „lange andauernde Verhandlungen“. Eine Textüberarbeitung hätte dem gesamten Buch gut getan. Besonders auffällig ist etwa S. 163, auf der im letzten Absatz fünfmal das gleiche Verb benutzt worden ist. Die Übernahme eines Sarges der Amarnazeit für Ramses II. (Katalognr. 55) ist bereits Konstantin C. Lakomy, Der Holzsarg eines Königs der späten 18. Dynastie aus der Cachette im Süden von ad-Dayr al-Bahri: Bemerkungen zu dem „Sarg König Ramses’ II.“, in: Göttinger Miszellen 224, 2010, 71-80 aufgefallen, der ausführlich auf dessen Wiederverwendung eingeht.
Der Verfasser des Buches ist weder auf dem neuesten Stand der Forschung noch kann er mit einer aussagekräftigen Systematik oder Gliederung überzeugen. Die Zusammenstellung der Sarkophage und Särge ist nach rein chronologischen Aspekten kein wissenschaftsrelevanter Zugewinn, daher dürfte der Fachkenner an dem Buch kaum Freude haben. Für den sachinteressierten Leser ist der Text mit zahlreichen, nicht erläuterten Fachtermini zu überladen und nicht entscheidend redigiert, um zahlreichen Druckfehlern, Wortwiederholungen und sprachlichen Unklarheiten entgegen gewirkt zu haben.
Orell Witthuhn
Farsen, Patrick. Königliche Särge und Sarkophage des Neuen Reichs. Bestattungszubehör der Könige und Königinnen von der 17. bis zur 21. Dynastie. Akademische Verlagsgemeinschaft, München 2011. 238 S. 21 x 15 cm. Pb. EUR 44,90.
ISBN 978-3-86924-051-0
 
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