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Dobrovic in Dubrovnik

Der Architekt Nikola Dobrovic (1897-1967) war ein echt jugoslawisches Gewächs. Geboren in Ungarn und ausgebildet in Prag verdiente er seine ersten Sporen als Planer in den 30er Jahren im kroatischen Dubrovnik, ehe er nach dem Zweiten Weltkrieg nach Belgrad übersiedelte, um dort zu einem der einflussreichsten Vertreter der balkanischen Moderne aufzusteigen. Sein spätes Hauptwerk ist der riesige Komplex der Verteidigungsministeriums inmitten der Belgrader City, das durch die – von der rot-grünen Bundesregierung Schröder-Fischer damals vehement unterstützten – Nato-Luftangriffe teilzerstört und bis heute nicht wieder aufgebaut wurde.
Die Publikation „Dobrovic in Dubrovnik“ ist ein echt post-jugoslawisches Gewächs. Denn neben den schönen Dokumentationsfotos des Österreichers Wolfgang Thaler – die das eigentliche Kernstück des Bandes ausmachen – schrieben der Kroate Krunoslav Ivanisin und die Serbin Ljiljana Blagojevic Essays, die Dobrovics Adriatische Periode erläutern sollen. Dass sich ein Kroate und eine Serbin zusammentun ist zunächst einmal ein gutes Zeichen. Denn der „Jugoslawe“ Dobrovic drohte mit samt seinem über beinahe sämtliche jugoslawischen Nachfolgestaaten verteilten Erbe zugrundezugehen, weil sich nach dem Bürgerkrieg niemand mehr für diese Bauten und ihre Symbolkraft verantwortlich fühlte: derart ikonisch waren Dobrovics Architekturen – und ikonisch eben nunmehr in einem „falschen“ Sinne, den man mit dem post-jugoslawischen Nachfolgestaatennationalismus überwunden glaubte.
Man kann sagen, dass Dobrovic in Dubrovnik jenen ikonischen Stil – nennen wir sie in Anlehnung an die „Ostmoderne“ spaßeshalber „Jugomoderne“, da sie durchaus der Ausdruck von Titos „Drittem Weg“ der Blockfreiheit war – erstmals formte. Er tat dies in einer Serie von Einfamilienhäusern, die – angesichts ihrer Größe etwas prätentiös – „Villen“ genannt wurden und mit einem kleinen, für die damalige Zeit aber atemberaubenden Hotel auf der Insel Lopud. Man kennt die Ästhetik: weiße, kubische Formen, Fensterbänder, Flachdach, Piloti – ja, es erinnert an Le Corbusier und den „International style“, aber der Zugriff auf das Repertoire ist besonders, und Dobrovics planerisches Geschick im Umgang mit der herrlichen Landschaft, der kleinen Gärtchen, den Blicken zum Meer und in die Hügel der Umgebung atmet eine ganz eigene Qualität.
Gute post-jugoslawische Voraussetzungen also und ein hervorragendes Thema: doch welch grandiose Vergeigung! Ivanisin ist so nah an Dobrovic (sein Onkel war einer der Villenbauherrn), dass er den Wald vor lauter Bäumen nicht sieht und – man muß es schon sagen – großen Stuß zusammenschreibt. Wichtiger als ein krampfhafter Versuch, Dobrovic in Beziehung zu Corbusier zu setzen (das hat der Jugoslawe gar nicht nötig!) wäre die Einordnung der Bauherren gewesen: wer waren die Leute, die sich in den 30er die Villen und das Hotel haben bauen lassen? Eine kleine Dubrovniker Soziologie anhand von Beispielen: das wäre es gewesen. Leider rettet auch Blagojevic das Desaster nicht. Auch sie betreibt mehr Dobrovic-Apologie als nötig, nimmt zu sehr den Standpunkt ein, der vielleicht für die Technische Hochschule von Belgrad (an der sie unterrichtet) angemessen erscheint, aber nicht für eine solche Einführung.
Das ist schade, denn die Bilder von Thaler hätten mehr verdient. Sie zeigen auf eigene Weise, was aus den mittlerweile bald 80 Jahre alten Bauten geworden ist. Einige Villen sind gut erhalten und entsprechend in Schuß. Ausgerechnet das herrliche Hotel in Lopud aber ist – nachdem es privat erbaut, dann verstaatlicht, dann wieder privatisiert wurde – heute eine Ruine, umso schlimmer, weil man bei einem halbherzigen Sanierungsversuch die originalen Zwischenwände und die aus Beton gegossenen (!!!) Einbaumöbel zerstört hat. Auch dies wäre ein schönes Thema gewesen: eine kleine Geschichte der jugoslawischen Mentalität anhand der Architektur. Doch auch davon ist dieses Buch weit entfernt. Ein Ärgernis.

08.04.2016
Christian Welzbacher
Dobrovi in Dubrovnik. A Venture in Modern Architecture. Ivanišin, Krunoslav; Thaler, Wolfgang; Blagojevic, Ljiljana. Engl. 160 S. 80 Abb. 30 x 24 cm. Gb. Jovis Verlag, Berlin 2014. EUR 38,00. CHF 50,00
ISBN 978-3-86859-357-0
 
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