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Towers for the welfare state

„Work, food, homes“ – so fasste Premier Winston Churchill die Aufgabe des britischen Wohlfahrtsstaats in der Nachkriegszeit zusammen. Der Punkt „homes“ wurde in einer langjährigen, großflächigen Bauwelle sozialer Wohnhochhäuser umgesetzt, die die Denkmalpflege der Universität Edinburgh in diesem Buch nachzeichnet.
Eine große Fülle an liebevoll recherchierten Bildern reichert die Historie der politischen Entscheidungen und technischen Neuerungen an. Neben ästhetischen Aufnahmen aus zeitgenössischen Architekturzeitschriften darf auch die junge Queen nicht fehlen, die beeindruckt vom Hochhausbalkon schaut. Und auch andere Bilder fangen den Fortschrittsglauben der Zeit ein: verheißungsvolle Werbung für Asbest-Zement oder das stolze Titelmotiv eines Stadtführers mit achtspuriger Stadtautobahn und Hochhausblock daneben. Zur Seite gestellt sind den historischen Aufnahmen aktuelle Fotos der Gebäude: weniger heroisch, sondern alltäglich vor grau-weißem Himmel, leeren Bushaltestellen und vollen Parkplätzen. Solcherlei sammeln die Autoren auch in ihrer Online-Datenbank zum gleichen Thema: http://www.towerblock.eca.ed.ac.uk
Das Buch räumt mit Vorurteilen auf und zeigt, dass die Baumaßnahmen keineswegs unreflektiert vonstattengingen, sondern dass im Gegenteil sogar erstmals die Soziologie in die Planungen einbezogen wurde. Mit attraktiver Ausstattung wie Einbauküchen und eigenen Bädern setzten die Hochhauswohnungen neue Standards und traten an die Stelle der heruntergekommenen, übervölkerten Mietskasernen, die abgerissen wurden. Eine moderne Nüchternheit hielt Einzug, die neben ästhetischen Gesichtspunkten vor allem das Ergebnis einer möglichst hohen Wirtschaftlichkeit war. So stammen viele Gebäude aus dieser Zeit von Baufirmen, die den Kommunen Rundum-Sorglos-Pakete lieferten. Viele Architekten beteiligten sich an der Entwicklung solcher seriell gefertigter Typenbauten und fanden Gefallen an ihrer neuen Rolle, die sich vom Stylisten zum Konstrukteur gewandelt hatte.
Das Argument für Wohnhochhäuser lautete: „More pleasure to more people“. Wie sich dieser Ansatz im Einzelnen vor Ort ausgestaltete, schildert in der zweiten Buchhälfte ein detaillierter Spaziergang durch die einzelnen Landesteile Großbritanniens. Hier wenden die Autoren den Blick besonders über London hinaus. Birmingham beispielsweise war zwischenzeitlich beim Thema Höhe durchaus ambitionierter als die Hauptstadt. Neben bekannten Größen der Architekturgeschichte wie dem Trellick Tower und Robin Hood Gardens (beide London) oder dem Park Hill Estate (Sheffield) findet sich unter den zahlreichen Beispielen jede Menge Unbekanntes, das wohl heutzutage nicht mehr zum Vorbild dient, aber doch viele anregende Fragen aufwirft, während in Deutschland der Ruf nach gefördertem Wohnungsbau unüberhörbar erklingt.

03.02.2019
Maximilian Liesner
Towers for the welfare state. An Architectural History of British Multi-story Housing 1945 - 1970. Stephan Muthesius. Miles Glendinning. Englisch. 2018. 274 S. 534 meist fb. Abb. 21 x 28 cm, Gb. EUR 35,00
Zu beziehen unter: s.muthesius@uea.ac.uk
ISBN 978-1-9999205-2-4
 
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