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Geschichte der Gartenkunst

„Noch wusste ich nicht, dass sich auf einer ganz kleinen FlĂ€che, die Natur in solcher reitzender Mannifaltigkeit und edler Einfalt darstellen lĂ€sst. Noch hatte ich nicht erfahren, dass man auf den ersten Blick so weggerissen werden kann
zu arcadischer Wollust. Noch segne ich den Tag, da ich dies erfuhr“. Diese euphorischen Worte entlockte dem Schweizer AufklĂ€rer Johann Georg Zimmermann 1785 ein englischer Landschaftsgarten, den er jedoch nicht auf der Insel glĂŒckseelig und von arkadischer Wollust ergriffen durchwandelte, sondern unweit von Hannover.
Diese Erfahrung teilte er nicht allein, entstanden doch Ende des 18. Jahrhunderts in ganz Europa GĂ€rten im englischen Landschaftsstil – artifizielle Gartenanlagen en miniature, die vorgaben, natĂŒrlichen Ursprungs zu sein. Diese Form der ‚idealen Natur’ entstand u.a. als formaler, kultur- und sozialgeschichtlicher Reflex auf die architektonischen, d.h. RegelmĂ€ĂŸigkeiten, Ordnungen und damit Hierarchien spiegelnden und der aristokratischen Herrschaftsinszenierung dienenden barocken Gartenanlage.
Diese sich gegenseitig bedingenden Faktoren von Form und Inhalt anhand exemplarischer GĂ€rten aufzuzeigen, haben sich die beiden Autoren Wilfried Hansmann und Kerstin Walter mit ihrer neuesten Publikation zur „Geschichte der Gartenkunst“ zum Ziel gesetzt. Dabei diente ihnen ein möglichst hohes Maß an AuthentizitĂ€t als strenges Auswahlkriterium, da sich zahlreiche der Anlagen heute nur noch in rekonstruierter Form erschließen lassen. D.h., nur GĂ€rten „die der historischen Wirklichkeit so nahe wie möglich kommen“ (S. 11), fanden Eingang in das bei DuMont erschienene, opulent ausgestattete Buch. Darunter finden sich Klassiker wie die GĂ€rten in Versailles von Le NĂŽtre, das von Rousseau ‚geprĂ€gte’ Ermenonville, der Karlsberg in Kassel, die barocke Anlage BrĂŒhl und der Landschaftsgarten Muskau des Grafen von PĂŒckler, die Villa d’Este in Tivoli und der Villa Aldobrandini in Frascati sowie die Anlagen in Stowe oder Rousham als entwicklungsgeschichtliche Beispiele des englischen Landschaftsgartens.
Gegliedert ist das etwas mehr als 350 Seiten umfassende, großformatige Werk in 10 Kapitel, die von einleitenden Worten und einem Ausblick flankiert werden. Dem folgen ein Anhang mit Bibliographie, Glossar, welches der Anschaulichkeit halber in Teilen bebildert ist sowie ein Personenregister, so dass ein schneller Zugriff auf die einzelnen Bestandteile gegeben ist. Jedoch muss der einleitende Hinweis, dieses Buch sei „ein Begleiter durch GĂ€rten und Parkanlagen“ (S. 8) durch GrĂ¶ĂŸe und Gewicht, schwerwiegender aber durch seine inhaltliche Struktur als nicht praktikabel verworfen werden. Als ungemein bestechend und brillant dĂŒrfen die zahlreichen, grĂ¶ĂŸtenteils großformatigen Farbaufnahmen von Florian Monheim bezeichnet werden, deren Reduzierung man nur ungern fordert, aber Grundrisse und -plĂ€ne, die nahezu gĂ€nzlich fehlen, wĂ€ren dem VerstĂ€ndnis und der Lesbarkeit der Anlangen dienlich gewesen, hĂ€tten Analogien und Modifikationen aufzeigen können.
Dankenswerterweise spannen die Autoren, obwohl der Untertitel ‚Von der Renaissance bis zum Landschaftsgarten‘ lautet, den chronologisch verlaufenden Faden von der Antike bis ins 19. Jahrhundert, um den Topos vom locus amoenus, dem lieblichen Ort in der Natur, der sich gegen die Wildheit absetzt, und die vielfĂ€ltigen RĂŒckbezĂŒge deutlich werden zu lassen. So hat sich die Gartenkunst seit der Renaissance in mannigfaltiger Weise immer wieder auf das antike Vorbild bezogen.
Sodann versucht das Autorenteam die chronologische Entwicklung der einzelnen, in Italien, Frankreich, Deutschland, Niederlande und Großbritannien verorteten GartendenkmĂ€ler und Parks gleicher einer Kette – Perle fĂŒr Perle – aufzureihen, ohne sie jedoch, was die sozial- und kulturgeschichtlichen ZusammenhĂ€nge anbelangt, wirklich zum GlĂ€nzen bringen zu können. Zu kurz greift hier die ErfĂŒllung ihres selbst formulierten Anspruches, nicht nur die formalen, sondern ebenso die historischen Bedingungen und ZusammenhĂ€nge aufzeigen zu wollen. Der rein deskriptive Charakter des Buches lĂ€sst zum Beispiel Gedanken ĂŒber die AusfĂŒhrenden Architekten, Ingenieure, spĂ€ter GĂ€rtner und Reflexionen ĂŒber ihr SelbstverstĂ€ndnis gar nicht erst aufkommen. Auch die Aspekte der zeitgenössischen medialen Vermittlung, des Reisens und den damit einhergehenden Prozessen der Rezeption werden nur gestreift. So ließ sich zum Beispiel Friedrich der Große fĂŒr die Planungen von Sanssouci, was die Terrassenanlage, Exedren und dem spĂ€teren Wunsch nach der eigenen im Garten verorteten BegrĂ€bnisstĂ€tte anbelangt, von der nahezu einhundert Jahre frĂŒher entstandenen Gartenanlage in Kleve inspirieren; einem ehemals öden, nun kunstvoll gestalteten und kultiviertem Terrain. Ausschlaggebend fĂŒr Friedrichs Entscheidung, das fĂŒr FĂŒrst Johann Moritz von Nassau-Siegen angelegte Amphitheater (2. Bauabschnitt von Jacob van Campen) als Gedankengrundlage zu nutzen, in dem sich Einzelmotive aus den Niederlanden, Frankreich und vor allem Italien vereinen als „ganz und gar eigenstĂ€ndige Leistung“ (S. 92), war der Besuch, das eigene Durchschreiten, das Sehen und Erleben der Anlage.
Versteht man das hier anzuzeigende Buch, in dem der Versuch unternommen wird, die Epochen der Gartenkunst anhand ĂŒber vierzig Beispielen nachzuzeichnen, als rein reprĂ€sentatives, opulent bebildertes populĂ€rwissenschaftliches Coffee-Table-Book, mĂŒsste die Bewertung wohl positiver ausfallen, wĂŒrde aber zugleich verkennen, das auch und vor allem gartenkunstgeschichtlich interessierte Laien kontextbezogene Inhalte bedĂŒrfen, gar fordern, um von ‚arkadischer Wollust’ ergriffen werden zu können.

Martina Dlugaiczyk
Geschichte der Gartenkunst. Hrsg. v. Walter, Kerstin; Wilfried Hansmann. Von der Renaissance bis zum Landschaftsgarten. 350 S., 250 fb. Abb. 30 x 24 cm. Gb. DuMont, Köln 2006. EUR 49,90
ISBN 3-8321-7670-5
 
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