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Van Goghs Vermächtnis

Mach seiner Entlassung aus der Heilanstalt von Saint-Rémy ging Vincent van Gogh am 20. Mai 1890 nach Auvers-sur-Oise, um in dem idyllischen kleinen Ort 50 km nordwestlich von Paris unter der Obhut des befreundeten Arztes und Kunstkenners Dr. Gachet zu leben und zu arbeiten. Zwei Monate später nahm er sich das Leben» Er starb am 29. Juli 1890 mit 37 Jahren. Dieser kurzen Zeitspanne von nur 70 Tagen widmet sich ein neuer großformatiger Kunstband. Der Verfasser Wouter van der Veen ist wissenschaftlicher Berater des Van-Gogh-Instituts in Auvers.
Als Kenner der Korrespondenz van Goghs, an deren Untersuchung er für eine Neutranskription (erschienen 2009 in 6 Bänden) beteiligt war, folgt der Autor bei seiner Darstellung dem Inhalt der Briefe des Malers an seinen Bruder Theo, dem Kunsthändler, der ihn sein Leben lang unterstützte an Freunde und Verwandte. Anhand ausführlicher Zitate vermittelt van der Veen ein Bild des Menschen und Künstlers, seiner physischen und psychischen Verfassung, seines frenetischen Arbeitsrhythmus und beschreibt und kommentiert jedes einzelne der mehr als 70 in diesen Tagen entstandenen Gemälde. Sie sind - und das ist der besondere Reiz des Bandes - vollzählig farbig wiedergegeben, z.T. ergänzt durch Bildausschnitte, die van Goghs wilden, pastosen Farbauftrag und die reliefartigen Spuren der Pinselborsten hervorheben.
Diese Monographie ist das Ergebnis jahrelanger Forschungsarbeit. Der Verfasser will eine "Bestandsaufnahme" vorlegen, keinesfalls "zu den Polemiken rund um die letzten Tage van Goghs" beitragen, wohl aber "einen kleinen Beitrag zur Entmystifizierung" des Malers leisten und den "immer noch weitverbreiteten irrtümlichen Vorstellungen" widersprechen. Einleitend provoziert er allerdings mit spektakulären, reißerischen Behauptungen - wohl weil er mit seinem im "Ansatz wissenschaftlichen Werk auch ein "möglichst breites Publikum" ansprechen will; z. B. sei van Gogh "nicht arm" gewesen, er sei "nicht in einem Kuhstall… in einem Dorf fernab der Welt" aufgewachsen (natürlich nicht!), er habe zu Lebzeiten "mehr als nur ein einziges Bild verkauft“ (Theo hat ihm die meisten Bilder abgekauft!), er sei „weder asozial noch ein Einsiedler“ gewesen, er sei nicht unbekannt, sondern seine Kunst sei anerkannt gewesen – Behauptungen, die er im Laufe seiner Ausführungen relativiert oder auch korrigiert.
Im 2. Teil widmet der Verfasser sich van Goghs Schwägerin Johanna Bonger (1862-1925), die 1891 nach den frühen Tod Theos dessen umfangreiche Kunstsammlung und vor allem mehrere hundert Gemälde und Zeichnungen , sowie die Briefe und Aufzeichnungen Vincents erbte, diese bis zu ihrem Tode gewissenhaft verwaltete und verbreitete und sieh rührig um den Nachruhm des Malers in Holland bemühte. Anhand relevanter Auszüge aus ihrer Korrespondenz mit Kunsthändlern, Kritikern und Künstlern, aus Briefen ihres Sohnes, der vollständig abgedruckten ärztlichen Aufzeichnungen über den Verlauf von Theos Krankheit u.a. verfolgt van der Veen die Entwicklung der Rezeption van Goghs, belegt und würdigt insbesondere Bongers Anteil daran. Zu ihren Leistungen gehört u.a. die Herausgabe seiner Briefe (1914), "noch heute eine der wichtigsten Quellen über das Leben der Brüder van Gogh… auch angesichts der später monierten Ungenauigkeit.“ Weil sich "kein berühmter Schriftsteller für eine dokumentierte Biografie fand", hatte sie selbst die Einleitung verfasst. Leider ist ihr Text hier nicht abgedruckt. Stattdessen fehlt es nicht an zahlreichen zeitgenössischen Fotografien oder an einer Liste der in Auvers entstandenen Werke mit Bildnachweis.
23.2.1010
Christa Chatrath
Knapp, Peter /Van Der Veen, Wouter /Rüger, Axel: Van Goghs Vermächtnis. Seine letzten 70 Tage. Alle Bilder. 304 S., 150 zumeist fb. Abb. 28 x 24 cm. Gb Belser Verlag, Stuttgart 2009. EUR 49,90
ISBN 978-3-7630-2538-1
 
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