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Bilderschule der Herrenmenschen

Wer kennt ihn nicht, den „Negerkuss“ oder den „Sarotti-Mohr“? Entstanden im 19. Jahrhundert werden diese Begriffe bis heute noch irgendwie als „nett“ empfunden.
Ähnlich festgezurrt haben sich, allerdings mehrheitlich heute nicht mehr toleriert, Begriffe wie „Buschmann“, „Eingeborene“, und „Neger“. Um 1900 wurden in Hagenbecks Tierpark Afrikaner gezeigt, was einige Hamburger noch in die 1970er Jahre ganz in Ordnung fanden: „Denen ging es in Hamburg doch besser, als in Afrika“ lautete es in privaten Kreisen. Auch waren Vorstellungen noch hier und da zu hören, dass wenn sich dunkelhäutige Menschen mit „Weißen“ verbinden, das Kind einer solchen Beziehung „gescheckt wie ein Rind“ auf die Welt kommen könne.

Schuld an diesen offenbar kaum auszurottenden Vorstellungen waren unter anderem die im späten 19. und beginnenden 20. Jahrhundert in vielen Ländern vertriebenen Reklamesammelbildchen. Die damals aufstrebende Werbebranche nutzte koloniale und exotische Bildmotive als Blickfang, um Kauflust zu entfachen, Kunden zu binden und zugleich nationalen Stolz zu erzeugen.
Das millionenfach unter die Menschen gebrachte Bildgut im Kleinformat reproduzierte so ziemlich alle Stereotype des Fremden. Die in Massen in Umlauf gebrachten Sammelbilder waren alles andere als ideologisch-politisch harmlos, auch wenn sie noch so bunt und gefällig daherkamen.

Diese Werbebildchen, als Anregung zum Kauf von Margarine, Schokolade, Fleischextrakt oder Schuhcreme gedacht, trugen maßgeblich zur Legitimation dafür bei, den „Rest der Welt“ zu unterwerfen und auszubeuten. Wer durch diese Bilderschule des Kolonialismus und den bildbegleitenden Texte gegangen war, hatte seine Lektion vom weißen Herrenmenschen gelernt. Der Rassismus und mit ihm das Zerrbild vom „schwarzen Untermenschen“ ging dem Sklavenhandel und dem Kolonialismus nicht voraus, sondern war die Folge davon – so die Meinung des Autors.

In diesem Bild-Band zur deutschen Kolonialgeschichte, der sich auf den Fundus der Sammlung Willi Goffart stützt, fächert Joachim Zeller, Historiker Jahrgang 1958, geboren in Namibia, den umfangreichen Stoff mit einleitenden Texten verschiedener Themenschwerpunkte auf wie u.a. „Die Verlockungen von Abenteuer und Exotik“, „Zivilisierende Gewalt – die Vermarktung von Kolonialkriegen“, oder „Das Bild vom ‚schwarzen Mann’“ bzw. „Das Selbstbildnis des ‚weißen Mannes’“ bis hin zum „Kolonialrevisionismus – der Kampf um den verlorenen ‚Platz an der Sonne’“. Die Fülle der Bildmotive, die alle kritisch kommentiert werden, verbunden mit dem Wissen riesiger Auflagenzahlen, machen deutlich, wie sehr sich Herrenmenschendenken, Kolonialismus und Rassismus bis in die letzte Wohnstube ausbreiten konnten.

Eine Bilderschule, die, scheinbar freundlich-paternalistisch daherkommt, aber in ihrer Missachtung der Menschenrechte dem Rassismus in Europa und dem Nationalismus in Deutschland den Boden bereitete.

Als Warnung sehr zu empfehlen.
21.02.2010
Gabriele Klempert
Zeller, Joachim. Bilderschule der Herrenmenschen. Koloniale Reklamesammelbilder. 256 S, zahlr. durchgehend fb. Abb., 25 x 21 cm, Gb. Chr. Links Verlag, Berlin 2009. EUR 39,90
ISBN 978-3-86153-499-0
 
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