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Bernini – Der Schöpfer des barocken Rom.

Der Schriftsteller Fulvio Testi, Freund und Zeitgenosse von Gianlorenzo Bernini sowie beste Quelle für den widersprüchlichen Künstler, bezeugt, dass dieser der "Michelangelo unseres Jahrhunderts ist, sowohl in der Malerei wie in der Bildhauerei, und niemandem unter den Alten nachsteht im Hinblick auf seine Kunstfertigkeit." Das dürfte das höchste Lob sein, das man dem gebürtigen Napolitaner nur hatte machen können, dem Bildhauer, Maler, Erfinder der Karikatur und Komödiendichter, der das Stadtbild Roms geprägt hat und der von aller Welt, sogar von Christina von Schweden, bewundert wurde. Als Sohn des Bildhauers Pietro Bernini zur Welt gekommen, überflügelte er bald den Vater, der auf das überschwängliche Lob für seinen begabten Sohn bescheiden, aber selbstbewusst antwortete: "Wer in diesem Spiel verliert, gewinnt."
Wo viel Licht ist, ist auch viel Schatten, heißt es, und so lernen wir aus Arne Karstens Bernini-Biographie, dass er Konkurrenten geradezu weg biss. So hat er den Architekten Francesco Borromini bei der Gestaltung von St. Peter für Papst Urban VIII. zwar die Arbeit machen lassen und verstand "sehr wohl die Lasten, nicht jedoch die Anerkennung und den Lohn zu verteilen". Borromini hatte weit mehr Anteil an den Bauarbeiten im Petersdom als weithin bekannt; der versierte und charmante Bernini hat den gesellschaftlich ungeschickten Tessiner Borromini systematisch ausgebeutet und in den Schatten gestellt. Gut möglich, dass dieses Alpha-Verhalten seine Reputation befördert hat, denn es galt als Vorzug, von ihm porträtiert zu werden: Sich eine Büste von Bernini anfertigen zu lassen, trug zur Bedeutung der abgebildeten Person bei. Francesco I. d`Este, Herzog von Modena, beispielsweise hatte sich von dem sachlichen Preisangebot des Bildhauers Alessandro Algardi (von seinem Können zweifellos auf gleicher Stufe wie Bernini) gar beleidigt gefühlt und sich lieber für das selbstbewusste und weitaus teurere Angebot Berninis entschieden. Die prachtvolle und höchst artifizielle d`Este-Büste spricht in ihrer Wirkung für sich, sie gilt als der Prototyp einer "idealisierte(n) Inszenierung des absolutistischen Staatsgedankens".
Die Konkurrenz war groß im Rom des 17. Jahrhunderts, und eine Künstlergeschichte dieser Zeit ist von der Geschichte der Päpste nicht zu trennen: Aufgestiegen unter Papst Paul V. Borghese erlebte Bernini die Pontifikate von Gregor XV. Ludovisi, Urban VIII. Barberini, Innozenz X. Pamphili und Alexander VII. Chigi, jeder einzelne von ihnen nicht nur geistiges Oberhaupt der Christenheit, sondern auch fürstlicher Souverän. Berninis schönste Werke sind in päpstlichem Auftrag entstanden: so zum Beispiel die Gruppe Aeneas und Anchises aus dem Jahr 1618, keine bloße Verherrlichung der in Rom allgegenwärtigen Antike, sondern bewusste Bezugnahme auf die Familie Borghese, die hier mit dem Gründungsheros Roms in Verbindung gebracht wird; auch die römische Kunst des 17. Jahrhunderts ist eben von eminent politischer Bedeutung, nicht nur die des alten, kaiserzeitlichen Roms.
In einem Selbstporträt von 1640 begegnet man dem Künstler persönlich: Erstaunlich schmal, fast mager ist sein Gesicht, der Blick des damals 42-Jährigen jedoch ist dafür umso eindringlicher und kritischer; zum Zeitpunkt der Entstehung des Bildes hatte Bernini noch an die vierzig erfüllte Künstlerjahre vor sich: Er starb beinahe 82-jährig und hinterließ eine Frau und elf Kinder.
Auf dem Hintergrund der Papstgeschichte, an der im römischen Barock kein Weg vorbeigeht, scheint die Kunstgeschichte in Karstens Buch ein wenig zu kurz zu kommen. Dennoch ist das Buch vor allem wegen seiner eingängigen und spannenden Erzählweise ein Gewinn für Liebhaber des Barocks.

15.03.2017
Daniela Maria Ziegler
Bernini. Der Schöpfer des barocken Rom. Karsten, Arne. 272 S. 51 Abb. und 1 Karte. C.H. Beck Verlag, 2017. EUR 19,99.
ISBN 978-3-406-70404-8   [C. H. Beck]
 
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