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Rainer Maria Rilke – Rodins Aquarelle „Diese vollkommenen Wunderwerke“

2017 jährte sich der Todestag des berühmten französischen Bildhauers Auguste Rodin (1840-1917) zum 100. Mal. Der von Rainer Stamm herausgegebene Insel-Band „Diese vollkommenen Wunderwerke“ wirft einen Blick auf die weniger bekannten Aquarelle des Künstlers, gesehen und beschrieben durch den Schriftsteller Rainer Maria Rilke (1875-1925). Wie schon für die ebenfalls im Insel-Verlag erschienene Veröffentlichung „Rainer Maria Rilke ‚Im ersten Augenblick’. Bildbetrachtungen“ (Insel Bücherei Nr. 1407) setzt Stamm auf ein bewährtes und gleichfalls überzeugendes Prinzip der Gegenüberstellung von Rilke-Texten und Kunstwerken (hier Rodin Aquarelle) bei denen ein direkter Werkbezug deutlich wird und sich wunderbare Wort-Bild-Paare ergeben.
„Für mich gehörten diese Zeichnungen zu den tiefsten Offenbarungen“ (S. 5) – Auf zwei einstimmende Eröffnungszitate von Rilke folgt eine Reihe von Rodin-Aquarellen mit den entsprechenden schriftlichen Betrachtungen des Dichters. Dem Beschauer ermöglicht das Büchlein einen Eindruck von Rodins zeichnerischen Qualitäten: Die Arbeiten des Bildhauers auf Papier, die eine eigenständige Werkgruppe darstellen, sind von großer Leichtigkeit und Dynamik geprägt und überzeugen durch sinnliche Kolorierung. Rilke begeistert als Meister des Wortes: Er entwickelte in der Zeit der Entstehung der Rodin-Aquarelle die Fähigkeit zu ‚sehen’, sich auf ein Kunstwerk einzulassen und dessen Kostbarkeit in Sprache zu übersetzen. In unserer bilderüberfluteten Welt beindrucken Rilkes Worte umso mehr durch die Aufmerksamkeit seines Schauens und die Poesie seiner Sprache. Mit großer Akribie hat der Herausgeber die Texte des Dichters in ihrer ursprünglichen Orthographie und Interpunktion wiedergegeben, wenngleich die Textquellen sich nicht immer sofort erschließen. Innerhalb der meist erotischen, aquarellierten Zeichnungen bilden die kambodschanischen Tänzerinnen eine eigenständige Motivgruppe. Einige repräsentative Blätter hat Stamm ebenfalls für diese Publikation ausgewählt. Die Tänzerinnen hatte der Künstler bei ihrem Besuch 1906 in Paris gesehen und war ihnen – fasziniert von ihren anmutigen Bewegungen und ihrer fremdartigen Schönheit – bis nach Südfrankreich gefolgt. Rilke, der 1903 eine Monographie über den Bildhauer veröffentlicht hatte und zeitweilig als Privatsekretär (1905/06) für ihn tätig gewesen war, sah die Bilder der Tänzerinnen erst, als sie in einer Pariser Galerie präsentiert wurden. Die abgedruckten Briefe des Schriftstellers zeugen von den Eindrücken, die diese sinnlichen und farbstarken Werke auf ihn hinterließen.
Der Bild-Text-Strecke folgen hilfreiche Anmerkungen mit erläuternden Hinweisen zu den Schriften Rilkes (S. 48-50) sowie ein Nachwort des Herausgebers (S. 51-66). Hierin fasst Stamm die wechselvolle Beziehung zwischen der Künstlerikone und dem Schriftsteller zusammen, wodurch eine grundsätzliche Kontextualisierung der abgebildeten Werke (z.B. der Weimarer Rodin-Skandal) und der ausgewählten Texte gelingt. Ein Abbildungsverzeichnis, Textquellenverweise sowie benutzte und weiterführende Literatur sind im Anhang versammelt. Weder die Aquarelle Rodins noch die Texte Rilkes über den Jahrhundertkünstler entdeckt Stamm neu, doch der gelungene Liebhaber-Band würdigt das weniger bekannte Schaffen des Künstlers und lässt in bildgewaltiger Prosa die Begeisterung des berühmten deutschen Schriftstellers für die faszinierenden Werke Rodins sichtbar werden.

26.02.2018
Kora G. Polock
»Diese vollkommenen Wunderwerke«. Rodins Aquarelle. Rilke, Rainer Maria. Hrsg.: Stamm, Rainer. Insel-Bücherei (RK206), Band: 1440. 70 S. 19 x 12 cm. Insel Verlag, 2017. EUR 15,00. CHF 21,90
ISBN 978-3-458-19440-8
 
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