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Goethe in Wiesbaden

Während Johann Wolfgang von Goethe in Wiesbaden weilte, ließ er sich regelmäßig die Jahresbände der Göttingischen gelehrten Anzeigen liefern, die er sich aus den Zeitschriftenbeständen der Bibliothek auslieh.
Dazu schreibt er in seinen Tag- und Jahresheften: „Hier ward man erst gewahr, was man erlebt und durchlebt hatte, und was ein solches Werk bedeute, das mit Umsicht aus dem Tage entsprungen in die Zeiten fortwirkt. Es ist höchst angenehm in diesem Sinne das längst Geschehene zu betrachten. Man sieht das Wirkende und Gewirkte schon im Zusammenhange, aller mindere Wert ist schon zerstoben, der falsche Anteil des Augenblicks ist verschwunden, die Stimme der Menge verhallt, und das überbliebene Würdige ist nicht genug zu schätzen“.

Welch eine Sprache! Und welch eine Kunst, Betrachtetes und Erlebtes nachzuempfinden. Goethe war viel auf Reisen und hat viel gesehen. Als er in den Sommermonaten der Jahre 1814 und 1815 zur Kur in Wiesbaden aufhielt stand neben der körperlichen Genesung auch die geistige Erfrischung und Erneuerung im Vordergrund.

Diese beiden Kuraufenthalte werden in dieser Dokumentation aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet: Der ersten Band zeigt die persönliche Perspektive Goethes. Eine Chronik seiner täglichen Aktivitäten auf Grundlage von Tagebüchern gibt dem Leser einen ganz privaten Einblick in sein Alltagsleben in Wiesbaden.
Goethe machte in der Kurstadt die Bekanntschaft zahlreicher Menschen; er korrespondierte von dort mit Freunden und Bekannten aus der Weimarer und Jenaer Gegend. Einige der wenigen Abbildungen zeigen uns u.a. seine Reisekutsche und seine Mineraliensammlung, die er offenbar während seiner Spaziergänge nach Hause trug.

Goethes ganz persönliche Perspektive kommt im zweiten Band durch den Blick von und auf seine Briefpartner zum Ausdruck und zeigt Goethe als regen Dialogpartner. Einige dieser Partner werden dem Leser in farbigen Porträts vorgestellt. Der dritte Band beschreibt die gesellschaftlichen Kreise, in denen Goethe sich bewegte, und geht aus zeitgenössischer Sicht auf die Stätten ein, die er in Wiesbaden und Umgebung besuchte. Dieser Blickwinkel wird abschließend durch einen Epilog zu den Spuren Goethes im heutigen Wiesbaden ergänzt.

Zahlreiche historische Dokumente, die zum Teil erstmals veröffentlicht werden, und eine reiche Bebilderung machen dieses von Carsten Stahmer in Zusammenarbeit mit einem Team von Expertinnen und Experten herausgegebene Werk zu einer besonderen und spannenden Lektüre für jeden Goethe-Interessierten.

Mit bildender Kunst hat dieses opulente Werk nur sehr wenig zu tun, aber eine solch lyrische Reise in eine andere Zeit ist immerhin ein „Denk-mal“ wert.

05.08.2020
Gabriele Klempert
Goethe in Wiesbaden 1814 und 1815. Band I: Tageschronik. Tagebucheinträge, Briefe, Gedichte, Gesprächsaufzeichnungen, Rechnungen / Band II: Briefwechsel / Band III: Begegnungen und besuchte Stätten. Hrsg.: Stahmer, Carsten. 1436 S. 75 fb. Abb., 229 Abb. 24 x 17 cm. 3 Bd. im Schuber,. L. Reichert Verlag, Wiesbaden 2019 EUR 79,00.
ISBN 978-3-95490-378-8   [L, Reichert]
 
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