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Le Triomphe de la République

Ein Triumph der Republik
Der französische Bildhauer Aimé-Jules Dalou (1838–1902) ist heute außerhalb seiner Heimat vor allem durch die kleine, aber eindrucksvolle Portraitbüste bekannt, die sein Kollege und Generationsgenosse Auguste Rodin von ihm geschaffen hat. Das entspricht in keiner Weise seiner kunsthistorischen Bedeutung für die Skulptur im 19. Jahrhundert. Dalou war ein aufstrebender Künstler in Paris, als er 1871 ins Londoner Exil fliehen musste, nachdem er in den Tagen der Kommune einer der Bewahrer des Louvre war und danach – wie Gustave Courbet – absurderweise für die Ausschreitungen der Bürgerkriegstage verantwortlich gemacht und zu einer langen Haftstrafe verurteilt wurde. Als sich die zweite Republik nachhaltig etabliert hatte, konnte er zurückkehren und war von Beginn an den Diskussionen und Wettbewerben für ein Denkmal für diese Republik beteiligt, das in Paris entstehen sollte. Diese Diskussionen zogen sich hin und nachdem bis zur Weltausstellung 1878 kein Ergebnis vorlag, kam es 1879 endlich zu diesem Wettbewerb für ein Denkmal zur Feier der neuen Staatsform. Dalou beteiligte sich daran, aber Leopold Morice (1846–1919) gewann den Wettbewerb mit der traditionellen Lösung einer Frauenfigur auf einer monumentalen Säule. 1883 wurde dieses 9,5 m hohe „Monument à la République“ auf der neuen Place de la République in Paris eingeweiht.
Dalou hatte sich mit einem Gipsmodell an dem Wettbewerb beteiligt, das aus der Konformität der anderen Entwürfe so sehr herausstach, dass es chancenlos blieb. Auf einem von Löwen gezogenen Wagen steht die Frauenfigur der Republik auf einer Kugel schreitend, während allegorische Begleitfiguren seitlich den Wagen schieben, der Genius der Freiheit ausgestreckt auf einem Löwen den Weg mit einer Fackel erleuchtet und die Figur der Pax in der Art einer Allegorie der Abundantia den rückwärtigen Abschluss bildend, Blumen und Früchte ausstreut. Diese bis dahin unvorstellbare Dynamik stellte die Statuarik aller anderen Entwürfe in den Schatten. Kritisiert wurde, dass dies eher zu einer Goldschmiedearbeit als zu einem öffentlichen Monument passen würde. Nachdem Dalous Entwurf auch Lob und Anerkennung fand und der Ablauf des Wettbewerbs in der Öffentlichkeit massiv kritisiert wurde, konnte der Stadtrat von Paris dazu bewegt werden, den Bildhauer mit einem weiteren Denkmal für die Republik zu beauftragen. Mit der Place de la Nation bot sich ein noch weiter vom Zentrum entfernter, jedoch ebenfalls mit der städteplanerischen Neugestaltung von Paris an Bedeutung gewinnender Platz an, auf dem die Skulpturengruppe bis heute steht. Allerdings hatte Dalou mit der technisch anspruchsvollen Ausführung noch lange zu tun, so dass die Einweihung erst 1899 mit einem Volksfest und der Ehrung des nun hoch angesehen Bildhauers vollzogen werden konnte.
Die Geschichte dieses Buches ist so außergewöhnlich wie sein Gegenstand. Ute Hünigen hatte in den 1970er Jahren mit einer Dissertation zur französischen Skulptur des 19. Jahrhunderts begonnen und die Arbeit 1985 mit der Fokussierung auf Dalous Republikdenkmal abgeschlossen. Die auf stupendem Quellenstudium basierende Arbeit sollte wenig später im Hirmer Verlag erscheinen, doch die Autorin war zwischenzeitlich erkrankt und konnte auf Grund dessen bis zu ihrem Tod 2018 das Projekt zu keinem Abschluss bringen. Nachdem ihr Freundeskreis sich überzeugt hatte, dass es bis heute keine vergleichbare Publikation zu Dalou und dem Denkmal, ja nicht einmal zu Dalous Œuvre insgesamt gibt, entschloss er sich, das Buch posthum herauszubringen. Der Hirmer Verlag stand dankenswerterweise zu der einmal gemachten Zusage und Katrin Pollems-Braunfels gelang es, aus dem Manuskript ohne allzu große Eingriffe ein gut lesbares und angemessen bebildertes Buch zu machen. Der Leser hat damit über die Monographie des Denkmals hinaus eine hervorragende Studie zur französischen Kunstpolitik und Skulptur in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Händen. In französischer Sprache wird man etwas Vergleichbares übrigens bis heute vergeblich suchen, so dass eigentlich sogar an eine französische Übersetzung gedacht werden könnte.

05.07.2021
Andreas Strobl
Le Triomphe de la République. Das Republikdenkmal von Aimé-Jules Dalou im Kontext der kunstpolitischen und künstlerischen Strömungen der III. Republik von 1870 bis 1899. Hünigen, Ute. Hrsg.: Pollems-Braunfels, Katrin. 280 S. 80 fb. U. sw. Abb. 28 x 24 cm. Hirmer Verlag, München 2021. EUR 59,00. CHF 73,10
ISBN 978-3-7774-3683-8
 
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