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Barbarossa. Die Kunst der Herrschaft

Der Name Friedrich I. Barbarossa (1122 – 1190) steht „bis heute für eine der prägenden Herrschergestalten der europäischen Kulturgeschichte des Mittelalters“, für eine „Weltoffenheit“ …, die über die politischen Verhältnisse seiner Zeit hinausweist“, eine „Gestalt“, in der sich „das 12. Jahrhundert als eine Phase der Umwälzungen und Neuerungen spiegelt“. Schon bald nach seinem Tod wurde er als „Friedensfürst und Erneuerer des Reiches“ idealisiert, im 19. Jahrhundert mit der erwachenden Sehnsucht in Deutschland nach nationaler Einheit zum „deutschen Nationalmythos“ verklärt und von den Nationalsozialisten „als Symbolfigur des starken Herrschers einer geeinten Nation für propagandistische Zwecke“ missbraucht.

Der vorliegende großformatige Bild-Text-Band begleitet die bis zum 5. Februar 2023 dauernde Doppelausstellung im LWL-Museum für Kunst und Kultur in Münster und auf Schloss Cappenberg bei Selm (Kreis Unna), die die Persönlichkeit Barbarossas und seine Epoche präsentiert, mit über 160 hochrangigen Exponaten: vergoldete Reliquiare, silberne Monstranzen, bronzene Kreuze, Elfenbeinarbeiten, Urkunden, Briefe u.v.m. Schon der Titel des Kataloges deutet den besonderen Zusammenhang der beiden Bereiche Kunst und Herrschaft im 12. Jahrhundert an. Darüber hinaus vermittelt der Band einen umfassenden Einblick in „die Glaubenspraxis, Politik und Weltsicht des staufischen Zeitalters“. Denn Fachleute verschiedener Disziplinen setzten sich gründlich und kritisch, unter Einbeziehung der neuesten Forschungsergebnisse mit dem Menschen, dem Herrscher und dem Kriegsherrn auseinander, mit seinem Verhältnis zur päpstlichen und zur islamischen Welt, seiner Rolle und Stellung in Nordwestdeutschland, speziell in Westfalen, wo „wesentliche politische Strukturen“ entstanden; sie behandeln und erläutern die Bedeutung der Cappenberger Stiftsgründung im Geburtsjahr Barbarossas 1122 durch seinen Taufpaten, den Grafen Otto von Cappenberg, die Wahl, „die Frauen des Adels…zwischen Welt und Kloster offenstanden“, am Beispiel Hildegards von Bingen (1098 – 1178) und Jutta von Arnsberg (um 1103 – 1154) und ihr Verhältnis zu Barbarossa, sie gehen ein auf ein, die damals nicht selbstverständliche Präsentation dreidimensionaler Skulpturen in Kirchenräumen und sie untersuchen einige der Exponate. Im Mittelpunkt dieser Untersuchungen steht das zentrale Ausstellungsstück, der weltberühmte, vergoldete sogenannte Cappenberger Bronzekopf und seine Rezeptionsgeschichte. Dieser Kopf galt lange als authentisches Portrait des Kaisers, doch er ist ein Reliquiar für das Haar des Stiftsheiligen Johannes des Evangelisten (um 1166), wie jüngste Forschungen bestätigen – „ein historisches Fehlurteil“ also.
Fast alle Exponate der beiden Ausstellungen werden auf guten farbigen, zum Teil ganzseitigen Abbildungen präsentiert und alle werden ausführlich erläutert und kommentiert.
So ist der Band weitaus mehr als ein aufzählendes bebildertes Verzeichnis und auch mehr als eine Kunstgeschichte. Er ist eine fesselnde, umfassende, umfangreiche Literatur verarbeitende Darstellung einer ganzen Epoche, mit diversen Schwerpunkten, darunter Westfalen.

17.12.2022
Christa Chatrath
Barbarossa. Die Kunst der Herrschaft. Hrsg.: LWL-Museum fĂĽr Kunst und Kultur, MĂĽnster Petra Marx. 304 S. 9 Abb., 278 fb. Abb. 30 x 24 cm. Michael Imhof Verlag. Petersberg 2022. EUR 39,95. CHF 45,90
ISBN 978-3-7319-1260-6   [Michael Imhof]
 
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