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Sylt in der Fotokunst - Der Müll ist nicht insular...

Ein jeder hat ja irgendwie eine Meinung zu Sylt, da ist es eine schöne Idee, mal jene der Fotokünstler in Buchform zu bringen. Ein solcher Band ist jetzt erschienen, der Fotokunst vorstellt, die auf Sylt entstanden ist: also dort, wo sonst die Urlauber Sandstrände, das Watt und die Nordsee knipsen. Auf ihren Erinnerungsbildern fangen sie die Insel ein, wie sie diese in Erinnerung behalten wollen – doch welche Bilder finden Fotokünstler hier?

In dem bei Hatje Cantz erschienenen Buch suchen sie vor allem nach der Freiheit, die Insel mal ganz anders zu sehen. Auffällig wenige beschäftigen sich mit dem, was eine Insel eigentlich ausmacht: mit dem Wasser drumherum, mit Sand und Meer. Noch weniger arbeiten sie mit dem Mythos des Luxuslebens, das sich auf Sylt seit mittlerweile einigen Dekaden erhalten konnte – auch wenn Prominenz heute seltener gesichtet wird.

Stattdessen zeigen die 23 im Buch versammelten Fotografinnen und Fotografen sehr unterschiedliche Orte, die denken lassen: Hier kann ein jeder sein Leben leben. So sieht es etwa Julia Baier, deren Schwarzweißbilder Hörnum als einen stillen, zumeist leeren Ort präsentieren. Gespenstisch dagegen die Serie „Der Wiedergänger“ von Susanne Schleyer und Michael J. Stephan: Sylt im Zwielicht. Immer wieder ist ein Mann zu erkennen, der hier sein Unwesen zu treiben scheint. Eine zutiefst unbehagliche Bildwelt.

Und was noch? „Sylter Selbstporträts“ können nicht so ganz überzeugen, auch nicht die Serie „Text and Landscape“ von Martin Kollar, der Verbotsschilder fotografiert hat. Gerät man hier immerhin ins Schmunzeln, so wollen Martin Pudenz' Bromöldrucke mit ihrem handwerklichen Gestus und ihrer Erhabenheit überzeugen. Seine Landschaften sind von stiller Schönheit, doch von was erzählen sie sonst noch?

Überhaupt scheinen die Problemzonen der Insel, der Wegzug vieler Insulaner etwa, die hier versammelten Fotokünstler nur wenig zu interessieren. Und so bleibt dieses in Teilen beeindruckende Sylt-Panorama unvollständig, auch wenn sich der Herausgeber Denis Brudna um Vielgestaltigkeit der Positionen bemüht hat. Man würde gerne mehr erfahren über die Einheimischen, die sich ihre Insel selbst oft kaum mehr leisten können. Inselflucht ist ein Phänomen: Die Ur-Sylter werden immer weniger. So wie die Insel sich selbst ebenfalls verknappt – durch Landverluste bei Sturmfluten.

Die ungewöhnlichste Arbeit des Buchs stammt von Britta Isenrath. Sie hat Nachts den Sperrmüll der Sylter illuminiert und fotografiert. Wobei dieser Müll nicht wirklich insular anmutet. Er könnte auch im Binnenland so ziemlich überall auf die Straße gestellt worden sein – die Serie wird auch an weiteren Orten fortgesetzt.

07.09.2012

Marc Peschke
Sylt. Im Spiegel zeitgenössischer Fotografie (AT).Hrsg.: Brudna, Denis; Erläuternder Text von Frost, Cora u.a.. 2012. 115 farbige Abb. 25 x 30 cm. Gb. EUR 30.00 CHF 41,50
ISBN 978-3-7757-3364-9
 
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