KunstbuchAnzeiger - Kunst, Architektur, Fotografie, Design Anzeige Verlag Langewiesche Königstein | Blaue Bücher
[Home] [Foto, Film, Medien] [Rezensionen] [Druckansicht]
Themen
Recherche
Service

[zurck]

Steve McCurry - Indien

Der amerikanische Fotograf Steve McCurry hat viele hervorragende Bilder gemacht, unzählige, doch eines, ein sehr besonderes, wurde zu einer Ikone der Fotografie: Sein „Afghanischen Mädchen”, 1984 im Flüchtlingslager Nasir Bagh fotografiert, ist weltbekannt. Diese intensiven grünen Augen, dieses würdevolle Gesicht, dieser direkte Blick. Der Willen, der sich darin ausdrückt. Die Fotografie zierte den Titel des „National Geographic“, ging ein in die Fotogeschichte und wurden seitdem immer wieder veröffentlicht.

Steve McCurry, 1950 in Philadelphia geboren, wurde mit seinen Fotografien aus Afghanistan international bekannt. Die sowjetische Intervention war die Initialzündung für seine Karriere als Fotoreporter. 1980 wurde er für seine Bilder aus Afghanistan mit der „Robert Capa Gold Medal“ ausgezeichnet.

Seitdem hat Steve McCurry überall in der Welt fotografiert – dort, wo politisches Handeln endete und Gewalt zum Motor des Geschehens wurde: Er hat im Iran-Irak-Krieg gearbeitet, den Bürgerkrieg und den Zerfall des früheren Jugoslawiens dokumentiert, in Beirut, Kambodscha, Tibet, dem Jemen oder den Philippinen Bilder gefertigt, die den vielfach ausgezeichneten Magnum-Fotografen zu einem der bedeutendsten Bildautoren unserer Tage machen.

Derzeit ist McCurry wieder in aller Munde. Die Ausstellung „Steve McCurry. Fotografien aus dem Orient“ war gerade im Museum für Gestaltung in Zürich zu sehen – und bei Prestel ist ein neues Fotobuch erschienen, das seine Bilder Indiens in einem opulenten Werk versammelt. Seit den siebziger Jahren hat McCurry in Indien fotografiert. Es sind die Farben, die das Land für ihn zu einem Sehnsuchtsort machten. Denn Curry ist vor allem ein Farb-Fotograf, ein Künstler der Farben, einer, an dessen Farbpalette man sich nicht sattsehen kann – der die Farbe über alles setzt.

Und so überzeugt dieses Buch vor allem durch seine Sinnlichkeit. Gold, Safran, Curry, herrliche leuchtende Rottöne, tiefstes Blau, all diese Farben findet McCurry auf der Straße, in den Gassen, auf dem Land, draußen unter freiem Himmel. Reiche und Arme fotografiert McCurry, Menschen auf dem Land und in der Stadt, das religiöse Leben, die Welt der Arbeit und des Fortschritts – stets mit dem gleichen Sinn für Details und Komposition. Viele großformatige Bildern versammelt der Band – die meisten bisher unveröffentlicht.

Der Weg führt von Rajasthan bis nach Bengalen, Kaschmir oder Kerala: in eine mythisch anmutende Welt. Er fotografiert das Kumbh Mela-Fest, das größte religiöse Fest des Hinduismus, das in Allahabad, Haridwar, Ujjain und Nashik stattfindet und das Streben der Menschheit nach Wissen und Erkenntnis symbolisiert. Oder es sind Holzarbeiter in den Wäldern des Himalaya, die er ablichtet, die Gassen von Neu-Delhi, das Ganesh Chaturthi-Fest in Mumbai, die Blumenmärkte in Kaschmir – starke Fotografien eines so gegensätzlichen Landes, präsentiert in großen Bildern, die nicht durch Texte unterbrochen werden. Nur ein Vorwort des britische Reiseschriftsteller William Dalrymple führt in die Bildwelt von Steve McCurry ein.

„Die meisten meiner Bilder sind im Menschen begründet“, so resümiert Steve McCurry sein Werk. „Ich halte Ausschau nach dem ungeschützten Augenblick, wenn sich das Innerste der Seele zu erkennen gibt und sich das Erlebte auf dem Gesicht eines Menschen abzeichnet.“ Er ist ein Chronist, aber mehr als das: Er schafft berauschende Fotografien, Bilder von sich verändernden, schwindenden Kulturen. Bilder, in denen sich der Alltag und das religiöse Leben mischen. Bilder von Tempeln und kargen Hütten.

„Ein Bild kann etwas universell Menschliches zum Ausdruck bringen oder einfach nur eine zarte und ergreifende Wahrheit enthüllen, indem es einen Teil des Lebens vor Augen führt, der andernfalls vielleicht unbeachtet geblieben wäre“, sagt der in New York lebende Fotograf, dessen Werk melancholisch stimmt. Denn vieles, was er fotografiert hat, gibt es heute schon nicht mehr. Das Wissen um die Verletzlichkeit, die Endlichkeit der Dinge, um das Zerfließen von Zeit, aber auch das Wissen um die Schönheit des Fremdartigen und die Wunder der Welt – all das begleitet sein poetisches Werk bis heute.

10.11.2015
Marc Peschke
Steve McCurry. Indien. Dalrymple, William. 2015. 208 S. 96 fb. Abb. 38 x 28 cm. Gb. EUR 49,95. CHF 65,00
ISBN 978-3-7913-8195-4
 
© 2003 Verlag Langewiesche [Impressum] [Nutzungsbedingungen]