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Der unbekannte Oscar Niemeyer in Algier.

Der Fotograf Andreas Rost untersucht mit seinem Fotoprojekt zum ersten Mal die Université des Sciences et de la Technologie Houari Boumediene, die bislang auch unter Architekturfachleuten kaum bekannt ist und selten bildlich dargestellt wurde.

Oscar Niemeyer ist allerdings, wie der Titel des Buches suggeriert keineswegs unbekannt, jedoch zeigt sein Bau der Universität in Algier recht wenig von Niemeyers leichter und nicht selten sensationeller Architektur, wie man sie besonders in Brasilia bewundern kann und die mit guten Gründen als Weltkulturerbe gilt.

Niemeyers Bau in Algier ist jedoch nur ein Entwurf gewesen, der leider verloren ging. Der Architekt der heutigen Anlage ist unbekannt und mit dem fertigen Bau soll Oscar Niemeyer recht unzufrieden gewesen sein. Er zeigt sich dem Fotografen Andreas Rost inzwischen wie leidender Beton; wie ein Trutzbau an der Westfront, dicke Betonwände wehren scheinbar jeden Besucher ab, ein Wasserbecken, das in karger Umgebung erscheint wie ein mit Beton eingerahmter Wassertank, in dem nicht einmal ein kleiner Goldfisch Heimat finden mag. Einige Fenster – vermutlich im Vorlesungssaal – sind mit durchhängenden Gardinen vor der Sonne geschützt. Große Bögen stellen zwischen den dicken, grauen Betonmauern wenigstens etwas vermittelnde Verbindungen her. Doch dichtes Unkraut verunziert das ohnehin traurige Gelände. Die Universität scheint kein fröhlicher Ort zu sein. Die Fotos zeigen kaum Personen, höchstens die Rücken einiger Studentinnen, einige Studenten als Schattenrisse oder in der Ferne vor einer riesigen öden Betonwand. Aber immerhin, der Himmel ist blau!

Leider fehlen auch Aufnahmen, die einen Gesamtüberblick gewähren, der am Ende des Buches abgebildete einfache Grundriss hilft da wenig. Das Buch ist ein gelungener Fotobildband, der aber – wie der Titel verspricht - nur wenig über den genialen Architekten Oscar Niemeyers erzählt.

Vier Jahre vor seinem Tod 2008 hat Oscar Niemeyer ein Resümee seines Lebens und zugleich eine Reflexion über unsere Gesellschaft vorgelegt. „Die Architektur ist nur ein Vorwand“ meint Niemeyer, wichtig seien das Leben und der Mensch, dieses merkwürdige Wesen mit Seele und Gefühl, das nach Gerechtigkeit und Schönheit hungert. „Wir müssen die Welt verändern“ lautet der Titel seiner letzten Veröffentlichung im hohen Alter von 104 Jahren. Wohl wahr!


12.07.2016

Wir müssen die Welt verändern. Niemeyer, Oscar / Riva, Alberto / Hausmann, Friederike. 5. Auflage. 2013. 96 S., 10 Abb. 17 x 12 cm. Gb. A. Kunstmann Verlag, München. EUR 12,95 CHF 16,90 ISBN 978-3-88897-871-5





Gabriele Klempert
Der unbekannte Oscar Niemeyer in Algiers. Andreas Rost. Text. Flügge, Matthias; Redecke, Sebastian. Dtsch/Engl./Franz. 164 S. 73 fb. Abb. 21 x 23 cm. Verlag für moderne Kunst, Wien 2015. EUR 30,00.
ISBN 978-3-86984-559-3
 
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