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Peter Keetmann – Gestaltete Welt

„Gestaltete Welt“ heißt die Ausstellung und „Gestaltete Welt“ heißt der Ausstellungskatalog aus dem Steidl-Verlag, der selbst Teil dieser „Gestalteten Welt“ ist, indem er alles vereint, was ein herrlich gestaltetes Buch braucht: einen zurückhaltenden Satz, eine hochsolide Ausstattung, eine perfekte Verarbeitung und ein gestochenes Druckbild. Kurzum: ein rundherum erfreuliches Buch.
Und das liegt dann natürlich auch am Gegenstand, dem Photographen Peter Keetman (1916-2005), im Dritten Reich ausgebildet, als Kriegsversehrter mit nur einem Bein heimgekehrt, als Mitbegründer der Gruppe „fotoform“ gestartet und als freier Künstler zu großem Ruhm gelangt.
Mit großem Sinn für visuelle Zusammenhänge führt uns der Herausgeber in mehreren Bildsequenzen (auf Hochglanzpapier gedruckt) quer durch Keetmans Werk, um in einzelnen Aufsätzen (mattes, gestrichenes Papier) vertiefende Blicke auf Keetmans Werkgruppen und Projekte zu nehmen (darunter die legendären Aufnahmen im noch unkorrumpierten VW-Werk, 1953). Zu den Autoren zählen neben dem mittlerweile hochbetagten F.C. Gundlach selbst renommierte Experten, darunter Ute Eskilden oder Ludger Derenthal. Vorbildlich, kenntnisreich und lesbar ordnen sie Keetmans Werk in die größeren Zusammenhänge ein, erläutern die Technik der teils Abstrakten, die Photogramme der 20er Jahre weiterführenden Arbeiten, die Mehrfach- und Langzeitbelichtungen, die Versuchsanordnungen mit Licht und Spiegeln – und schließlich auch die Persönlichkeit des Künstlers. Erhellend in diesem Zusammenhang ist auch der Neuabdruck alter Texte, darunter ein Aufsatz von Franz Roh, dessen Perspektive eine – vielleicht die naheliegendste – Sichtweise begründet: Keetmans Werk in der Nachfolge des „Neuen Sehens“ zu begreifen.
Man hatte es in den letzten Jahren – dadurch bedingt, dass die Photographie in Kunstmarkt und Auktionswesen eine feste Größe geworden ist – immer wieder damit zu tun, dass angewandte Arbeiten zu freien Kunstwerken umgedeutet werden, um sie besser veräußern zu können. Im Falle Keetmans ist diese instrumentalisierte Wechselbeziehung dahingehend interessant, weil der Mann als freier Künstler arbeitete, diese freie Kunst aber für die Anwendung – oft gebunden an einen konkreten Auftrag – anfertigte. Dieses, sagen wir: Dilemma wird in „Gestaltete Welt“ thematisiert, indem bestimmte Bilder einmal als „Werk an sich“ gezeigt werden, daneben aber in „Anwendung“, nämlich als Katalogillustration, Poster und mit Schriftzug darüber. Ausgehend von Keetman könnte man stundenlang über „frei“ und „angewandt“ debattieren – gerade deshalb ist der Beitrag so wertvoll, weil er die Schwierigkeiten bei der nachträglichen Einschätzung zeigt und immer wieder auf den Künstler selbst verweist. Auch auf der Ebene der Forschung ist der Band daher ein gelungenes, ein anregendes Werk, das an dieser Stelle uneingeschränkt empfohlen werden soll: als Katalog eines wunderbaren Künstlers, als Lese- und Bilderbuch, als Forschungsband – und als Buchkunstwerk, das dem Verlag, dem Herausgeber und allen Beteiligen alle Ehre macht.

7. 9. 2016
Christian Welzbacher
Petzer Keetman. Gestaltete Welt. Hrsg.: Museum Folkwang und Stiftung F.C. Gundlach. 304 S. 24 x 29 cm. Gb. Steidl Verlag, Göttingen 2016. EUR 48,00
ISBN 978-3-95829-204-8
 
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