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Justyna Koeke – Prinzessinnen und Heilige

Oskar Schlemmer hätte gestaunt.
Denn hier kann sich das Auge nirgendwo festhalten. Symmetrie und Strenge seiner Figuren wie im "Triadischen Ballett" (1922) sind vollständig aufgelöst. Skulpturale Kleider nun überbordend phantasievoll surreal farbig-grell dekoriert, das Kopfteil häufig überdimensional-großblumig, darunter Kleider-Röcke die meist unter dem Kinn beginnen, mit Textilien oder Zuckerguß ornamental drapiert, wulstig, wurstartig, schlangenartig, kringelnd. Eine Körpermaske ohne sichtbare Körper. Doch immer mit und in einem gealterten weiblichen Gesicht, das gelegentlich vorwitzig oder verschmitzt lächelt. Wie paßt beides zusammen?

Mit dieser Präsentation geraten zwei Lebenszeiten ins Bild, Kindheit und beginnendes Alter. Inspiriert von (mit abgedruckten) im heimatlichen Krakau wiederentdeckten Mädchentraum-Kinderzeichnungen von Prinzessinnen und Heiligen, hat Justyna Koeke ihre papiernen Träume phantasievoll skulptural realisiert. Ausgeblendet bleibt so die attraktive Zeit begehrenswerter weiblicher Schönheit zwischen 14 und 45 mit all ihrer modischen Ver-Kleidung. Womit diese Präsentation, Performance, zur ironischen Provokation wird, zur Paraphrase auf unsere Vorstellung von weiblicher Schönheit, Kleidung und weiblichem Alter. Und sich der Gegensatz von farbiger Körperdekoration und gealterten Gesichtern dann als scheinbar erweist, wenn der dafür offene Betrachter die in all diesen Szenerien sicht- und spürbare Phantasie, Freude und Fröhlichkeit auf sich wirken läßt. Was die Frage nach dem Sinn dieser Präsentation relativiert. Antworten finden sich hier in akademisch-kunsthistorischen und gendernden Begleittexten, Belege für die ungenutzte verlegerische Chance, diesen Augengenuß etwa mit phantasievoll-sprachwaberndemLesegenuß junger Autoren zu schmücken.

Wollten wir alle nicht einmal die/der Größte, die/der Schönste, die/der Mächtigste sein, also unangreifbar? Kann man Prinzessinnen, Heilige, kritisieren? In diesem Buch schon gar nicht. Denn es schenkt uns die naive Freude an einer phantasiereichen, kunstvollen Präsentation, wie sie Kunstwerke nur selten liefern können. Ein Lob für dieses, weil spielerisch-aufklärerische und zugleich fröhliche visuelle Schlaraffenland, das uns mit einem unbekannten, neuen Blick auf Alter, Frauen und Schönheit überrascht.

07.05.2017
Wolfgang Schmidt, Berlin-Friedenau
Justyna Koeke. Prinzessinnen und Heilige. Büttner, Nils; Eismann, Sonja; Söll, Änne. Engl.; Dtsch. 152 S. 28 x 20 cm. Pb. Arnoldsche, Stuttgart 2016. EUR 28,00. CHF 36,40
ISBN 978-3-89790-480-4
 
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