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Fünf Finger Föhn Frisur

Frisurwandel
„Fünf Finger Föhn Frisur“ von Gaechter+Clahsen

„Elsässer House Of Hair & Beauty”, das ist eine Institution in Zürich. Seit 1929 werden hier, direkt am Paradeplatz, „die neuesten Trend-Frisuren“ oder auch der „einzigartige, aufsehenerregende Look für besondere Anlässe“ in Szene gesetzt. So steht es noch heute auf der Homepage.

Und so war es auch schon vor Dekaden, wie ein nun in der Edition Patrick Frey erschienenes Buch zeigt. „Fünf Finger Föhn Frisur“ heißt der edel und schlicht gestaltete Band, der ein Konvolut von 6x6-Rollfilm-Aufnahmen des Fotografen Peter Gaechter versammelt, die dieser gemeinsam mit seiner Studiopartnerin Bettina Clahsen seit den 1970er Jahren bis in die Neunziger für den Zürcher Coiffeur angefertigt hat. Zwei Mal jährlich fanden die Shootings statt – mit jeweils zwei Models und mehreren Friseuren. Die so entstandenen Bilder wurden abschließend von Hand abgezogen, retuschiert und den Kundinnen des Edel-Friseurs in hochwertigen Zeigebüchern vorgeführt.

Die hier zusammengetragenen Schwarzweiß- und Farbfotografien kann man als einen Gang durch die jüngere Frisuren-Geschichte lesen. Überwiegten in den Siebzigern noch sehr klassische, elegante Damenschnitte, so bricht doch bald der Zeitgeist ein: Frisuren mit Namen wie „Cold War Kids“, „Punk“ oder „70er-Charlies-Angels-Fransen“ verdeutlichen, wie sehr die Populärkultur auch in der Schweiz Einzug hielt – Frisuren als Spiegel eines gesellschaftlichen Wandels.

Von einem „Frisurwandel der Öffentlichkeit“ schreibt auch Jörg Scheller in seinem Text zum Buch, in dem er ausführt, wie sich der Geschmack der „Damen der gehobenen Zürcher Gesellschaftsschicht“ nach und nach ändert: „In den 80er- und 90er Jahren trat dieses in der Schweiz noch vergleichsweise stark vertretene Bürgertum langsam aber sicher in Konkurrenz zu dem betont casual sich gebenden, mit dem Trash liebäugelnden Konsumbürgertum.“

Wie sehen solche Frisuren-Fotografien heute aus? Ganz anders. Betrachten wir dagegen diese historischen Bilder, so fällt eine grandiose Beherrschung des fotografischen Handwerks auf. Geprägt von Sorgfalt und Präzision, war die Fotografie für Gaechter und Clahsen (Gaechter war unter anderem an der Kunstgewerbeschule in Zürich ausgebildet worden, Clahsen an der Folkwangschule in Essen) kein Experimentierfeld, sondern überaus elegantes Kunstgewerbe. „Keine Schnappschüsse, keine gesuchte Amateur-Ästhetik, kein strategischer Trash“ – wie wohltuend, diese perfekt ausgeleuchteten Köpfe vor neutralem Hintergrund zu betrachten, die nicht mehr sein wollen als schlichtweg vollendetes Handwerk.

Noch einmal sei auf die hervorragende Buchgestaltung durch „Büro 146“, durch Valentin Hindermann, Maike Hamacher und Madeleine Stahel hingewiesen. Ein wunderbares Fotobuch! 800 Exemplare gibt es nur davon – unbedingte Kaufempfehlung, auch für Menschen, die gerade keinen neuen Haarschnitt nötig haben.

18.11.2019
Marc Peschke
Fünf Finger Föhn Frisur. Gaechter, Peter; Clahsen, Bettina. Beitr.: Scheller, Jörg. Dtsch.; Engl. 224 S. Edition Patrick Frey. Zürich 2019. EUR 60,00. CHF 60,00
ISBN 978-3-906803-83-8
 
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