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Gustav Metzger – Years without Art.

Gustav Metzger wurde 1926 in Nürnberg geboren und entkam dem Holocaust 1939 durch das Refugee Children Movement nach England. Nach Kriegsende begann er Kunst zu studieren und engagierte sich schon Mitte der 1950er Jahre gegen den Atomkrieg.
Ein Künstler wie Gustav Metzger, der 2008 Künstler und Kuratoren aufforderte, nicht zu jeder Biennale, Messe und Ausstellungseröffnung zu fliegen, hat seine Rolle eher im Randbereich des Kunstbetriebs gesehen, und schon seine erste Ausstellung 1959 galt der Verweigerung konventioneller Kunstproduktionen und des etabliertem Ausstellungswesens.
Zu einem neuen Kunstsystem gehört für Metzger u.a. eine vereinfachte Zugänglichkeit von Wissen, wie er dies 1965 darzustellen versucht, in dem er auf dem Boden einer Londoner Buchhandlung unter dem Titel „better books“ eigene Bücher zusammen mit Titeln aus der Buchhandlung präsentiert, die auf die drängendsten aktuellen Themen Antwort zu geben versprachen.
In den 1970er Jahren rief er in einem Manifest „Years without Art“ zum Protest gegen das Establishment kommerziellen Kunstschaffens auf. Drei Jahre, so fordert Metzger die Künstler auf, sollte man auf jede Form der Kunstproduktion verzichten und sich dem kapitalistisch organisierten Kunstsystem entziehen, unter anderem, um alternative Ausstellungsmöglichkeiten für mehr Künstler zu schaffen.
Seit dieser Zeit verbindet Gustav Metzger künstlerische Aktionen, Interventionen und Installationen stets mit Umwelt- und soziopolitischen Fragen.

Nun findet Metzger doch noch, und zu Recht, in den letzten Jahren aus dem „Randbereich“ den Zugang und das Interesse bedeutender internationaler Ausstellungen und Biennalen, wie in der diesjährigen documenta (13).

Für Kenner und Freunde Gustav Metzgers, die dem Künstler ein weiteres Stück näher rücken möchten, bietet sich mit dem vorliegenden Buch eine gute Gelegenheit. Die Grundlage dieses Buches bildet der lang verborgene Schatz seiner Bibliothek. Im Freiburger Morat-Institut für Kunst und Kunstwissenschaft befindet sich ein Teil davon. Über Jahre blieben die Bücherkisten zusammen mit Prospektmaterialien und Zeitungsausschnitten sowie einem abstrakten Ölgemälde auf seinen Wunsch hin unausgepackt – „er habe alles im Kopf“, meinte Metzger, als er die Bücherkisten nach Freiburg zur Aufbewahrung gab – bis nach 17 Jahren unvorhergesehener Kontaktlosigkeit zum Künstler 2006 die Kisten geöffnet werden konnten. Enthalten sind unter vielen Büchern und Dokumenten bis dato unveröffentlichte Schriften des „Wissenschaftlers“ Metzger, die er zum Beispiel über den jüdischen Künstler Samson Schames anfertigte. In diesem unveröffentlichten Essay geht Metzger weit über die kunsthistorische Interpretation der Kunst Schames‘ hinaus, in dem er feststellt, im Werk Schames‘ Reflexe auf aktuelle Tendenzen von Destruktivität in unserer Gesellschaft erkennen zu können.

Ein kunsthistorisches Seminar an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und eine im September 2012 zu Ende gegangene Ausstellung haben den Arbeits- und Denkraum Metzgers endlich vermehrt in das öffentliche Bewusstsein gerückt. Bleibt zu hoffen, dass das vorliegende Buch einen weiteren Beitrag leistet.
Dem Buch ist darüber hinaus eine Faltbeilage beigefügt, die die Rekonstruktion der politisch motivierten Ausstellung „passiv-explosiv“ dokumentiert, die von Gustav Metzger, Cordula Frowein und Klaus Staeck kollektiv organisiert wurde und dabei wissenschaftliche Texte mit Bildessays sowie einer Werkdokumentation mit tagesaktuellen politischen Interventionen verbindet und sich als Hybrid zwischen Buch und Zeitung versteht.
Angemerkt sei allerdings, dass etliche Dokumente und Abbildungen nur mit Lupe zu erkennen sind, was die Neugier auf Erkenntnis und Lesefreude arg strapaziert.
Insofern wird die „vereinfachte Zugänglichkeit von Wissen“, wie Gustav Metzger dies fordert, Der schwedische Impressionist Anders Zorn nicht ganz eingelöst. Ärgerlich auch, dass der Text - und nur der Text - auf glänzendem Papier gedruckt ist, was neben der „Winzschrift“ das Lesen ausgesprochen schwierig macht, wenngleich die eigenwillige Buchgestaltung besondere Aufmerksamkeit verdient hat.

Der Künstler Gustav Metzger und sein Werk bleiben spannend und sollten Beachtung finden.

03.10.2012

Gabriele Klempert
Gustav Metzger – Years without Art.Hrsg.: Dangel, Samuel und Schmeling, Sören. Texte von von Dangel, Samuel, Texte von Morat, Franz Armin Texte von Schmeling, Sören. 2012. 160 S. 24x 17 cm. Br. EUR 22.00 CHF 31,00
ISBN 978-3-86833-101-1   [modo]
 
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