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„Warhafftig und wunderbarlich Monster“ – Von gestrandeten Walen.

Heute können wir auf Whalewatching-Touren lebendige Wale in ihrer natürlichen Umgebung sehen; die modernen toten Wale präsentieren ihr Skelett in strahlendem Led-Licht, hervorragend museumspädagogisch aufbereitet. Das besondere, seltene Erlebnis der Beobachtung einer Strandung eines großen Wals, das gewaltige hilflose, (meist) nicht mehr zu rettende, sterbende und schließlich tote „Monstrum“, eine aussterbende Spezies zu sehen, das hat auch heute an Dramatik nichts eingebüßt.

Ende des 16. Jahrhunderts strandete ein Wal an der holländischen Küste zwischen Katwijk und Scheveningen, auch er wird besichtigt, vermessen und verwertet. Ein großes Ereignis, nicht nur wegen der Größe des angelandeten Meerestieres, das kaum einer zuvor gesehen hat. Die Menschen strömen herbei, alle wollen das Monstrum sehen, manche wollen es wissenschaftlich untersuchen, manche seinen Körper in bare Münze umsetzen, sind interessiert an ihm als Ressource, als Lieferant von Tran, Walrat (Sperma) und Ambra, eine wachsartige Substanz aus dem Verdauungstrakt zur Parfümherstellung.

Der Kupferstich des bekannten holländischen Künstlers Jakob Matham ist eine der frühen, zum ersten Mal sehr naturalistischen Abbildungen einer Walstrandung, Vorbild für andere Kunstwerke, Gemälde, Flugblätter. Die weit verbreitete Darstellung prägt für viele Menschen über einen langen Zeitraum das Bild des Wals, das bis dahin ein ungeheures Fantasiewesen war. Es ist ein Bild, auf dem viel zu entdecken ist: Es ist nicht nur das enorme Tier, exakt gezeichnet und gestochen, sondern die Landschaft des sog. „goldenen Zeitalters“ zu sehen, und vor allem die Menschen, die diesem Ereignis beiwohnen.
Viele solcher Strandungsbilder sind im 16. und 17. Jahrhundert in Holland zur Verbreitung gekommen und sie werfen Licht auf eine im Umbruch befindliche Gesellschaft in einer dramatischen Zeit inmitten kriegerischer Auseinandersetzungen. Viele Wale sind damals gestrandet; in einer Epoche enorm gestiegener Kunstproduktion wird die Sensation nun medial vermittelt, auch zu den Menschen gebracht, die nicht vor Ort sein können, und mit bedeutungsschweren Texten versehen. Der Wal wird zum Symbol.

Der tote Pottwal im Zentrum ist ein verlorenes, aus seinem Element geworfenes Tier, das möglicherweise mehr als über sich über den historischen Kontext, über die besondere Faszination und das große Staunen der Menschen aussagt, zumal bei heutiger Betrachtung. Daher geht unsere kleine Forschungsreise weiter ins 19. Jahrhundert zu den zahlreichen Wal-Zurschaustellungen und ins 20. Jahrhundert, wo einige von uns als Kinder präparierte Walkadaver auf LKW-Pritschen oder Eisenbahnwaggons besichtigen durften.

Ein schönes, kleines Buch, das für Kunstliebhaber und Naturfreunde gleichermaßen zu empfehlen ist.

07.04.2017
Gabriele Klempert
„Warhafftig und wunderbarlich Monster“. Von gestrandeten Walen. Kolbe, Susanna. 79 S. 37 Abb. 21 x 13 cm. Gb. Jonas Verlag, Kromsdorf 2015. EUR 15,00. CHF 21,90.
ISBN 978-3-89445-500-2
 
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