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Anja Putensen – Die Heide

Die Lüneburger Heide, diese so besondere Landschaft vor den Toren Hamburgs, Bremens und Hannovers, ist ein beliebtes Fotomotiv für abertausende von Besuchern, die vor allem im Sommer den Landstrich bevölkern. Wer die Heide kennt, weiß aber, dass sie zu jeder Jahreszeit ein Erlebnis ist – nicht nur zur Zeit der lila leuchtenden Heideblüte.

Ihr Reiz liegt im Miteinander von Kargheit und Idylle, wie Anja Putensen in ihrem schmalen, aber eindrucksvollen Band „Die Heide“ zeigt: Es sind ganz schlichte Bilder, die sie da versammelt. Wachholderbüsche, Heidekraut, Birken- und Kiefernwälder, einen einsamen Schafstall, einen Blick zum Wilseder Berg bei Undeloh oder in den Totengrund.

Das Naturschutzgebiet Lüneburger Heide mit seinen mehr als vier Millionen Besuchern pro Jahr ist ein touristischer Hot Spot, doch auf den Fotografien von Putensen sieht man keinen einzigen Menschen. Sie zeigt uns die Heide als menschenfernen, stillen Ort, als archaische Landschaft, die ehemals, bis ins 19. Jahrhundert, die prägende in großen Teilen von Norddeutschland war.

Die Heide ist ein Anachronismus, ein letzter Rest einer historischen Kulturlandschaft, der durch die Beweidung mit Heidschnucken bis heute gepflegt werden muss. Putensen, die an der Neuen Schule für Fotografie in Berlin studiert hat, wurde 1977 in Winsen an der Luhe geboren, ist selbst Teil dieses Kulturraums, auch wenn man es ihren Bilder nicht unbedingt ansieht.

Denn diese verzichten ganz auf eine persönliche Färbung. Stattdessen versteht Anja Putensen ihr analog fotografiertes Buch als eine Spurensuche nach einem „Idealbild von Heimat“, das zuerst Motor der Wanderbewegung war, später ein ideologisch verzerrtes Zweckbild der Nazis, in den 1950er Jahren farbenprächtige Filmkulisse – und das heute vor allem dem Fremdenverkehr dient.

Idealbild, Gegenbild, Wahrheit, Fiktion: Es ist schwer, die Lüneburger Heide zu begreifen – eine Region, die bis heute in Teilen auch als Truppenübungsplatz dient und wo das Konzentrationslager Bergen-Belsen den Tod für über 50.000 Menschen, darunter Anne Frank, bedeutete.

Putensen rührt in ihren gut komponierten, klassischen Stimmungsbildern nicht an dem Mythos. Darum geht es ihr nicht. Auch ist nichts Aktuelles in ihren Fotografien. Diese hätten vor 10, 20 oder 50 Jahren entstehen können. Sie zeigt uns sensible, stille, eindringliche Bilder ihrer Heimat: eine vertraute und gleichzeitig fremde Welt, deren Fortbestehen immer in Gefahr ist.

28.07.2017
Marc Peschke
Anja Putensen. Die Heide – Erinnerungsgeschichten einer historischen Kulturlandschaft. Putensen, Anja. Engl.; Dtsch. 64 S. 40fb. Abb. 16 x 20 cm. Kerber Verlag, Bielefeld 2017. EUR 20,00. CHF 25,30.
ISBN 978-3-7356-0315-9
 
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