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Claude Monet – Auf den Spuren des Lichts

Dunkel und Hell, Licht und Schatten, dunkle Palette und helle Farben - das sind die Gegensätze, aus der Efas und Salva Rubios Graphic Novel über Claude Monet (14.11.1840 Paris - 5.12.1926 Giverny, getauft als Oscar Claude Monet) besteht. Den gealterten "Vater des Impressionismus" lernen wir hier kurz vor seinem Tod kennen, seit mehreren Jahren an Grauem Star erkrankt. Eine Operation schiebt er vor sich her, obwohl die geliebten Farben allmählich ihren heiteren Charakter und ihr faszinierendes Licht verlieren, aber Monet traut - so die beiden Urheber des Buches - den Ärzten nicht viel zu, sondern fürchtet, sein Augenlicht völlig zu verlieren. Als der Graue Star auf beide Augen übergreift, ist eine OP unvermeidlich. Wir schreiben das Jahr 1923, und Monet wartet nach der OP mit verbundenen Augen auf den Arzt: Von diesem Zeitpunkt an lassen der Illustrator Efa (bzw. Ricardo Fernandez bzw. Ricard Efa) und der Kunsthistoriker und Schriftsteller Salva Rubio Bilder seines Lebens an uns vorüberziehen, von seiner Schülerzeit an bis ungefähr ins Jahr 1883.
Efa und Rubio schildern Monet als eigensinnigen Rebellen, der nicht mit Geld umgehen kann, aber genau weiß, was er als Künstler will. Schon als Schüler ein guter Karikaturist, der sogar Geld mit seinen Karikaturen verdient, wird er von Tante Marie-Jeanne Lecadre, einer Hobbymalerin, unterstützt und ermutigt. Es folgen Lehrjahre im Atelier von Gleyre in Paris und die unvermeidlichen Demütigungen junger Maler und Malerinnen (wie Berthe Morisot) im Pariser "Salon", dem Ort, wo es sich zu dieser Zeit entscheidet, wer ein "richtiger" Maler ist, der von seiner Arbeit auch wird leben können. Monet malt nach dem Vorbild der Schule von Barbizon im Freien, hält den Augenblick mit schnellem Pinsel fest und stellt gar mehrere Staffeleien ins Freie, um sein Motiv am Morgen, am Mittag und am Abend bei unterschiedlichem Lichteinfall malen zu können. Als er 1872 seinen sensationellen Sonnenaufgang mit dem Titel "Impression" ausstellt, gibt der Kunstkritiker Louis Leroy der gesamten Kunstrichtung spöttisch ihren Namen: Impressionisten. Sicher hat er nicht erwartet, dass sich seine herabsetzend gemeinte Bezeichnung Impressionismus in ein kunsthistorisch zutreffendes Etikett verwandeln würde.

Efa und Rubio konzentrieren sich auf die erste Hälfte in Monets Biographie, die Zeit der öffentlichen Anerkennung in dessen zweiter Lebenshälfte lassen sie außeracht. Bis zu seinem Tod wird er mit seiner Familie auskömmlich von seiner Malerei leben können, er wird sich in Giverny ein Haus kaufen und dort den berühmt gewordenen Garten mit dem Seerosenteich und der japanischen Brücke gestalten; er wird ihn wiederholt zu verschiedenen Jahres- und Tageszeiten malen (wie er es mit anderen Motiven seit Jahren getan hat).
Die Zeit vor Monets Erfolgen ist von Dramen geprägt, von Enttäuschungen, Armut und Schulden, den traurig-bedrückenden Ereignissen in Monets Leben entspricht auch die "dramatische" Farbpalette: Fast im gesamten Buch herrscht eine gedeckte, manchmal direkt düstere Farbgebung vor (die mitunter die Lesbarkeit der kleinen Textzeilen erschwert). Glücklicherweise setzen die zahlreichen, gut platzierten und originell gestalteten Bildzitate des Impressionisten wohltuende Akzente. Zum Beispiel schaffen es Efa und Rubio, den Moment, als Monet seinen Sonnenaufgang (siehe oben) malt, für uns fassbar zu machen: Zwei Mal sehen wir die "Impression" der rosaroten Sonne über milchig blauem Wasser, einmal im Fensterausschnitt, einmal als entstehendes Gemälde, und Monet selbst über und über in blau-rosa Licht getaucht. Toll!
Lange war Monets Leben von Armut und Schulden geprägt: Bis 1879 hat ihn seine Frau Camille, geborene Léonie-Doucieux, still begleitet und unterstützt, bis sie als gerade mal 30-Jährige starb. Efa und Rubio scheuen sich nicht, zu erwähnen, dass die zweifache Mutter häufig hatte abtreiben müssen (wie, möchte man sich nicht vorstellen, es kann nur schrecklich gewesen sein ...). Diese wiederholten Selbstverletzungen führten letztendlich zu ihrem Tod. Den Seerosenteich hat sie nie zu Gesicht bekommen ... Aber wir stehen ergriffen vor ihrem Sterbebild, denn Monet hat seine treue Begleiterin auf ihrem Totenbett gemalt, und dieses erschütternde Bild der langsamen Auflösung, der Verwandlung und des Entschwindens wird in Efas und Rubios Buch zitiert, und zwar in mehreren gelungenen Eindrücken: Wie sich Camilles Gesicht wandelt, wie die Farben allmählich wechseln, auch wie Monet sie anblickt, sowohl fasziniert als auch tieftraurig, zuletzt, wie er an ihrem Bett sitzt und sie für immer festhält.
Auch bei anderen Zitaten lassen sich Efa und Rubio einiges einfallen, so zum Beispiel wenn sie sich über die Begrenzung des Bildes hinwegsetzen und Motiv sowie Situation einfach spiegeln! In Argenteuil im schneereichen Winter von 1869 malt Monet "Die Elster", eine sonnenbeschienene verschneite Landschaft, in der der Blick auf eine auf einem Zaun sitzende Elster gelenkt wird. Im Zitat nehmen wir die Position der Landschaft (und der Elster) ein und sehen den Maler, der dick eingemummt vor seinem Bild sitzt, mit Atemwolke vor dem Mund, und die Szene festhält. Die Elster sitzt plötzlich hinter ihm: Vielleicht um zu erfahren, ob sie gut getroffen ist.
Es kommt auch vor, dass Monet mitten in seinem eigenen Motiv steht, wie zum Beispiel am Gare Saint-Lazare, hinter ihm unter dem Eisen-Glas-Dach des Bahnhofs eine gewaltig rauchende Lokomotive, wie er 1877 eine gemalt hat.
Auf den letzten Buchseiten schwelgen wir in Monets Seerosen-Kompositionen: Der alte weißgekleidete Monet steht auf seiner japanischen Brücke und sagt: "Nicht mehr lange, dann ist das Licht weg."
Nein. Es ist noch da. In Monets sensationellen Bildern.

(Vgl. auch das lesens-und schauenswerte Büchlein von W. Sauerländer, Manet malt Monet. Ein Sommer in Argenteuil (München 2012), das im Sommer 1874 spielt, als sich die beiden Maler in Argenteuil an der Seine treffen.)

21.11.2018
Daniela Maria Ziegler
Claude Monet. Auf den Spuren des Lichts. EFA; Rubio, Salva. 112 S. 31 x 22 cm. Gb. Knesebeck Verlag, München 2017. EUR 22,00.
ISBN 978-3-95728-068-8
 
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