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Moderne am Main 1919-1933.

Was das „Bauhaus“ gern gemacht, wenn es gekonnt hätte – nämlich die Lehre direkt mit der industriellen Fertigung zu verknüpfen, um so Entwurf und Personen, Kunst(gewerbe) und Wirtschaft zu einem sozialpolitisch wirkungsvollen „Netzwerk“ zu verknüpfen – das hat es anderswo wirklich gegeben. Nicht nur an den Technischen Lehranstalten in Offenbach, wo unter der Direktion von Hugo Eberhardt seit 1907 eine Musterinstitution nach den Prämissen des „Deutschen Werkbundes“ entstand (über die der Rezensent demnächst an anderer Stelle mehr verraten wird…es lohnt sich!). Sondern auch in Offenbachs Nachbargemeinde Frankfurt am Main, wo sich seit 1919 die Moderne auf allen Ebenen von Wirtschaft und Gesellschaft, Kunst und Leben Bahn brach.
„Moderne am Main 1910-1933“ heißt eine derzeit im Frankfurter Museum für Angewandte Kunst gezeigte Ausstellung, zu der ein kompakter, aber komplexer, dabei gut lesbarer und mit etlichen eindrucksvollen Abbildungen gespickter Band erschienen ist, der an dieser Stelle wärmstens empfohlen sei. Ausstellung und Buch begreifen das Frankfurt der Moderne als Gesamtkunstwerk – und gerade der ökonomische Aspekt, der unter dem Regime des liberaldemokratischen Bürgermeisters Ludwig Landmann aus dem Geist der (damals wiederbelebten) Messe heraus erfolgte, kommt dabei wieder zu seinem Recht. Denn Kulturpolitik im Gefolge des Werkbundes ist immer auch Wirtschafts- und Sozialpolitik – und nur die Reihenfolge dieser drei Aspekte ändert sich, je nachdem, ob wir es mit konservativen, freiheitlichen, sozialdemokratischen oder sozialistischen Werkbündlern zu tun haben – wobei sich diese ja durchaus auch zusammentaten, so wie in Frankfurt unter Landmann der Kommunist Ernst May für den Siedlungsbau verantwortlich war.
Mays Generalbebauungspläne, bekannt unter dem Schlagwort „Das Neue Frankfurt“, spielen im Buch „Moderne am Main“ eine wichtige Rolle. Da aber die Perspektive breit gewählt ist spielen nahezu sämtliche Kulturbereiche mit hinein: Design, Musik, künstlerische Ausbildung, Schulreform, Pädagogik, Kunstgewerbe, bildende Kunst, Radio, Theater, Mode, Gartenplanung, Kino – you name it. Dass all diese Künste vom Thema der Masse (und damit auch der Produktion für die Masse und der Massenproduktion) abhingen wird hinreichend deutlich. Und wie diese „Massierung“ für den Umbau und die Modernisierung der Stadt (bei gleichzeitiger Imagebildung – auch das gehört in die Zeit) erfolgte, legt der Band spannend dar. Frankfurt war also in dieser Hinsicht schon frühzeitig „amerikanisiert“ (wie die Kritiker in den 20er Jahren sagten, indem sie auf die Fließbandproduktion der Detroiter Ford-Motorwerke anspielten) – das mussten die echten „Amis“ nach 1945 gar nicht mehr erledigen. Also: „Moderne am Main“! Und den vielen Kulturtouristen aus der ganzen Welt, die sonst immer nur Offenbach besuchen, sei noch mal ausdrücklich gesagt: Fahrt auch mal wieder nach Frankfurt.

05.03.2019
Christian Welzbacher
Moderne am Main 1919-1933. Klemp, Klaus; Sellmann, Annika; Wagner K, Matthias; Weber, Grit. 2019. 296 S. Abb. 24 x 17 cm. AV Edition, Stuttgart 2019. EUR 39,00.
ISBN 978-3-89986-303-1
 
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