KunstbuchAnzeiger - Kunst, Architektur, Fotografie, Design Anzeige Verlag Langewiesche Königstein | Blaue Bücher
[Home] [Kunst] [Rezensionen] [Druckansicht]
Themen
Recherche
Service

[zurück]

Werkbundzeit – Kunst, Politik und Kommerz im Widerstreit

Dass der Werkbund zwischen seiner Gründung 1907 und den Jahren vor 1918 keine Künstlervereinigung sondern ein Lobbyverband der Wirtschaft mit imperialistischem Grundcharakter war, der auch im Krieg ein legitimes Mittel zur Verbreitung seiner paternalistisch-kolonialistischen Ideen sah und: dass er sich auch danach nur allzu zögerlich demokratisierte – dies ist jedem Menschen, der sich mit diesem Thema einmal beschäftigt hat, hinlänglich klar, da der Werkbund aus all dem auch nie einen Hehl machte.
Auf mehr als 300 Seiten bekommt man diese also zur Genüge bekannte Tatsache von Werner Oechslin noch einmal ausgebreitet, indem aus der naheliegenden und entfernteren Werkbundpublizistik ausführlich, ja, erschöpfend zitiert wird. Nach dem Ende jedes einzelnen Kapitels hofft man, im Folgenden möge die eigentliche Studie beginnen, werde eine erste neuartige These folgen, werde sich der Autor Beispielen aus der Praxis zuwenden, werde er das referierte (und es wird leider AUSSCHLIESSLICH referiert) in den Kontext stellen, endlich eine Methodologie zur Analyse erörtern, oder einfach irgendwas...aber: dann ist das Buch zu Ende.
Habemus Spätwerk! möcht man ausrufen.
Die Warnung steht schon in der Einleitung. Oechslin gibt da verschmitzt zu, dass er den Lektor, der zu zähmen ihn suchte, austrickste, indem er Zitatenrattenschwänze, ermüdende Redundanzen und eine wirklich frappierende Argumentationsarmut einfach beibehielt. Man kann sich gut vorstellen, dass der Lektor freundlich war, aber doch offensichtlich so deutlich, dass er die Defizite der Konzeption ansprach, wenn auch vielleicht nicht so fundamental kritisierte, wie man es sich angesichts des Ergebnisses wünscht: „Lieber Herr Professor Emeritus, bedrucktes Papier ist noch kein Buch.“
Die Sache ist nicht einfach ein Ärgernis, über das man so hinweggehen sollte: Hätte ein Student eine derartige Hausarbeit abgeliefert, er wäre durchs Seminar gerasselt. Copy und Paste nennt sich das hier praktizierte Verfahren – und es hat mit akademischen Standards, die auch im Zeichen von Bologna noch das Selberdenken anstreben, nichts gemein. Bleibt die Frage, ob sich der Autor wenigstens selber schämt – oder ob hierfür der gute Lektor am Ende doch noch eingespannt wird.

04.07.2022
Christian Welzbacher
Werkbundzeit. Kunst, Politik und Kommerz im Widerstreit. Oechslin, Werner. 336 S. Abb. 23 x 16,8 cm. Hanser Verlag, München 2021. EUR 28,00.
ISBN 978-3-446-27091-6
 
© 2003 Verlag Langewiesche [Impressum] [Nutzungsbedingungen]