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Asger Jorn – Die Jahre in Italien

Mediterrane Kräfte

Den dänischen Künstler Asger Jorn verbindet man mit seinen expressiven, starkfarbigen Gemälden und mit der Gruppe CoBrA, auch wenn diese nur von 1948 bis 1951 existierte. Er war einer der Vordenker dieser Gruppe und einer der am besten und am weitesten vernetzten Künstler der Nachkriegszeit. Seine überbordende Kreativität ließ ihn als Maler und Bildhauer so ziemlich jedes Material nutzen und im Rückblick nahmen dabei Ton und Keramik einen erstaunlich breiten Raum ein. Wenig bekannt ist auch, dass die meisten dieser Werke in Italien entstanden sind. Jorn kam erstmals 1954 nach Albisola, einem kleinen, 40 Kilometer westlich von Genua gelegenen Fischerdorf, das für seine Keramikwerkstätten bekannt war. Dort fand er ideale Bedingungen, um zusammen mit den Handwerkern vor Ort plastische Werke nach seinen Vorstellungen zu schaffen. Arm wie eine Kirchenmaus gelang es ihm dennoch, sich unter einfachsten Bedingungen nach und nach zusammen mit seiner Familie eine Existenz für die Sommermonate aufzubauen. Und weil er Freundschaften und Künstlernetzwerke liebte wurde er die treibende Kraft mehrerer Feste und Ausstellungen in Albisola sowie eines „Ersten Weltkongresses freier Künstler“ in Alba im Piemont, wo man in Giovanni Ferrero einen Förderer gefunden hatte.
All dies hat natürlich durchaus Niederschlag in den zahlreichen Publikationen zu Jorn gefunden und zu seinen Jahren in Italien gab es bereits ein Buch von Ursula Lehmann-Brockhaus (1934–2019), die auch am Werkverzeichnis Jorns mitgearbeitet hat. Doch bis zuletzt schrieb die Autorin an einer wirklich umfassenden Chronologie zu Jorns Jahren in Italien und konnte das Manuskript kurz vor ihrem Tod noch abschließen. Selima Niggl von der Stiftung van de Loo und Lukas Haberkorn vom Museum Jorn in Silkeborg (Dänemark) brachten erfreulicherweise das fertige Manuskript zum Satz und sorgten dafür, dass der Inhalt eine angemessene Form im Layout fand.
Lehmann-Brockhaus hatte Jorn als Assistentin von Jean Dubuffet 1964 in Paris kennengelernt. Seit 1974 lebte sie in Rom und konnte zahlreiche Gespräche mit den italienischen Weggefährten des Dänen führen, so dass es wohl keine bessere Kennerin für Jorns Jahre in Italien gab. Das Buch besteht aus zwei Hauptteilen: die historischen Zusammenhänge und die in Italien – zum Teil mit Freunden – geschaffenen Werke. Die Anfänge in Albisola, das sogenannte Experimentallabor in Alba und der Künstlerkongress werden in der minutiösen Schilderung von Lehmann-Brockhaus sachlich rekonstruiert und trotzdem oder gerade deswegen vermittelt sich die flirrende Atmosphäre dieser lebhaften Künstlerzusammenkünfte, zumal zahlreiche dokumentarische Fotos beigegeben sind. Die Übersicht über die entstandenen Werke und die künstlerische Entwicklung Jorns in den zwei italienischen Jahrzehnten werden vorgestellt und auch hier mit zahlreichen Abbildungen gut nachvollziehbar. Das in Albisola entstandene Künstlerhaus mit einer ganzen Reihe von fest installierten Werken des Künstlers wird ebenfalls dokumentiert. Im Anhang des Buches sind Texte und Briefe Jorns und seiner Freunde sowie eine Sammlung von Erinnerungen der Italiener an ihren dänischen Freund abgedruckt, die Ursula Lehmann-Brockhaus über die Jahre gesammelt hat. So wurde das Buch wirklich die Summe jahrzehntelanger Beschäftigung mit Jorns Jahren in Italien.

Da es vielleicht etwas umständlich und aufwendig ist, das Buch aus Italien zu bestellen, kann es auch von der Stiftung van de Loo in München bezogen werden (https://www.stiftung-vandeloo.de/de/publikationen/).

28.02.2023
Andreas Strobl
Asger Jorn. Die Jahre in Italien 1954–1973. Ursula Lehmann-Brockhaus, Campisano Editore, Rom 2021, 240 S. 242 Abb.,EUR 50,00
ISBN 978-88-85795-32-7
 
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