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Becoming CoBrA

CoBrA war nur eine kurze Episode der Kunstgeschichte und ist doch zum Synonym für einen künstlerischen Aufbruch nach dem Zweiten Weltkrieg geworden. Am 8. November 1948 gegründeten Asger Jorn, Constant, Christian Dotremont, Joseph Noiret, Karel Appel, Carl-Henning Pedersen und Corneille im Café de l`Hôtel Notre Dame in Paris die Gruppe. Sie benannte sich nach den Anfangsbuchstaben der Hauptstädte der Länder, aus denen sie stammten und machten dies durch die Schreibweise deutlich. Das Wortspiel mit der giftigen Schlange war dabei beabsichtigt, obwohl ihre Kunst nicht gefährlich sein sollte, sondern eher die Gefahr bannen. Europa hatte durch Nazi-Deutschland den Tiefpunkt der Menschlichkeit erleben müssen und für die Künstler, die Mitte, Ende 20 waren – die Dänen waren ein paar Jahre älter –, gab es kein einfaches weiter so. Sie wollten ihre Kräfte bündeln, sich, ihre Kunst und eine neue Menschlichkeit durchsetzen.
In Paris trafen sie sich, weil die glücklicherweise unzerstörte Stadt umgehend wieder zum Zentrum der Kunstwelt geworden war. Schnell kamen weitere Künstler aus den jeweiligen Freundeskreisen dazu. Sie gaben ab 1949 eine Zeitschrift heraus und trafen sich zu einem „Kongress“ im Sommer des gleichen Jahres in der Nähe von Kopenhagen, den man heute eher als gemeinsames Mal-Happening bezeichnen würde. Der junge, experimentierfreudige Direktor des Amsterdamer Stedelijk Museum, Willem Sandberg, lud sie am Ende desselben Jahres zu einer Ausstellung ein, die für Furore sorgte. Die zweite große Ausstellung, 1951 in Lüttich, wurde hingegen freundlicher aufgenommen, bedeutete dann aber bereits das Ende der Gruppe, deren Mitglieder zwar in unterschiedlichen Konstellationen noch miteinander verbunden blieben, aber nicht mehr unter dem Namen CoBrA auftraten.
Gemeinsam war den Künstlerinnen und Künstlern ihr Interesse für die Kunst der Außenseiter, seelisch kranker Menschen, der Volkskunst, der prähistorischen und der Kunst der Kinder. Diskutiert wurde dies in der eigenen Zeitschrift. Entstanden ist daraus eine starkfarbige, spontane, „expressive“ Kunst in Zeichnungen, Malerei und Skulpturen. Die Bilder und Skulpturen, die entgegen einer anderen Tendenz dieser Jahre immer einer Form von Gegenständlichkeit verpflichtet blieben, sprühen vor Energie und sprechen auch heute noch unmittelbar an. Dabei hat durchaus das Grausame seinen Platz in dieser Kunst, wenn zum Beispiele Karel Appel Bilder mit zahlreichen großen Augen malte – angeregt von den hungernden und bettelnden Kindern, die er auf einer Bahnfahrt durch das besiegte Deutschland erlebte. Und so manche Hexe, so manche böse Geisterfratze, scheinen mit einem Zwinkern ihre Gefährlichkeit in Frage zu stellen. CoBrA-Kunst ist ein Triumph der Kreativität über den Terror.
Die Ausstellung der Mannheimer Kunsthalle und ihr Katalog wollen nicht allein CoBrA, sondern auch die Wurzeln der Gruppe vorstellen. Ganz neu ist der Ansatz nicht. Schon 1982 veranstaltete Uwe M. Schneede im Hamburger Kunstverein eine umfangreiche CoBrA-Ausstellung in deren Katalog er intensiv auf die Vorgeschichte der Gruppe einging. Das ist nun lange her und auch die Geschichte der Gruppe, die ihr Wegbegleiter, der französische Dichter Jean Clarence Lambert verfasst hatte und die 1985 im Verlag Langewiesche in einer deutschen Übersetzung erschien, ist lange vergriffen. Zudem kann das neue Buch natürlich mit neuen Perspektiven auf die Künstler und ihre Anliegen aufwarten. Eine Chronologie und prägnante Kurzbiographien der Beteiligten runden die Essays zu den einzelnen Verzweigungen der Wurzeln der Gruppe und zu ihren Zielen ab. Schade ist es nur, dass das Buch, weil komplett deutsch/englisch angelegt, obwohl die Ausstellung keine weitere Station hatte, ein etwas leseunfreundliches Layout hat, das aber durch die guten Abbildungen ausgeglichen wird. Man hat also nach längerer Zeit mal wieder ein informatives Buch zu dieser wegweisenden Gruppe in der Hand.

16.03.2023
Andreas Strobl
Becoming CoBrA. Anfänge einer europäischen Kunstbewegung. Hrsg.: Herold, Inge; Holten, Johan. Deutsch; Englisch. 240 S. 200 fb. Abb. 27 x 22,5 cm. Deutscher Kunstverlag, Berlin 2022. EUR 42,00.
ISBN 978-3-422-99091-3
 
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