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Archivbilder aus deutschen Städten

Das Prinzip ist immer das gleiche, in seiner Reihe "Archivbilder" bringt der Sutton-Verlag zu den verschiedensten Städten Sammlungen alter Fotografien heraus, die sich meistens aus den Archiven örtlicher Heimatvereine speisen, bzw. aus Bevölkerung beigesteuert werden. So ist es natürlich, dass derlei Fotografien Ereignisse wie Einweihungsfeiern, Jubiläen oder Jahresfeste in Erinnerung bringen, an denen das halbe Städtchen teilnahm. So freut man sich in der Regel auch darüber, neben dem Bürgermeister, das Lieschen vom Bäcker Franz zu finden mit weißer Schürze, langen Zöpfen und Blumen im Haar. Meist ist in diesen Fotobänden reichlich Personal abgelichtet und nur selten Architekturen.
Interessant ist die Auswahl der Fotos. Dabei wird schon bei nur zwei Bänden rasch sichtbar, wie unterschiedlich die Autoren ihren Bestand auswerten. In dem Buch "Barth - Eine Stadt am Bodden" haben die Autoren Gerd und Erika Garber keine Scheu, in ihrer kurzen Einleitung auch auf die dunkle Vergangenheit von Barth einzugehen, wo tausende Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene in Konzentrationslagern untergebracht waren, um in den nahegelegenen Heinkel-Werken Zwangsarbeit zu leisten, auch wenn es dazu keine Fotos in dem Buch gibt. Ebenfalls keine Fotos werden gezeigt, obwohl es sie wohl gegeben haben wird, von Aufmärschen der Nationalsozialisten oder Jubelabbildungen aus der Zeit der SED, gezeigt werden fast ausschließlich, freundliche Familienbilder aus dem Arbeits- und Alltagsleben von Barth.
Ganz anders der Band aus dem Taunusstädtchen Königstein von Rudolf Krönke "Königstein - Fotografische Erinnerungen" mit Fotos aus der Zeit von 1930 bis 1960. Krönke berichtet fast ausschließlich in seiner Einleitung über ganz persönliche Erfahrungen, um anschließend unzählige Fotos zu zeigen, auf denen Hände zum Hitlergruß gereckt werden oder das Hakenkreuz erscheint. In seinem Kapitel "Sirenen, Fahnen, Marschmusik" schreibt Krönke verniedlichend "in Königstein waren die Jahre von 1933 bis 1945 geprägt von politischen und wirtschaftlichen Wechselbädern" und diese Jahre enden für Krönke "mit dem verlorenen Weltkrieg und dem Einmarsch der Amerikaner am 29. März 1945" mehr nicht. Weder, dass die Synagoge durch Brandstiftung in der Pogromnacht zerstört wurde, noch dass zahlreiche, in Königstein lebende Juden, vertrieben wurden imd einige von ihnen in den Gaskammern ermordet wurden ist dem Autor auch nur eine kleine Notiz wert. Im Gegenteil, in seinem einleitenden Text zum Kapitel "Jugend in Uniform" schreibt er "..das Zusammengehörigkeitsgefühl wurde durch Fahnenweihe und gemeinsame Erlebnisse, wie Zeltlager, Lagerfeuer usw. entsprechend gestärkt" um dann ausschließlich unkommentierte Fotos über Fahnenweihe und Aufmärsche mit Nazi-Symbolen zu zeigen und Krönke scheut sich auch nicht, gleich vier Fotos zu präsentieren, auf denen man über den Besuch Hermann Görings vor Stolz platzt. Auf diese Weise bildet der Foto-Band Rudolf Krönkes eine Wirklichkeit des Nationalsozialismus ab, die nicht nur ärgerlich ist, sondern schon als bedenklich betrachtet werden muß.
Der Sutton-Verlag wäre gut beraten, wenn er den Autoren seiner Reihe "Archivbilder" ein wenig Nachhilfe zur Darstellung der jüngsten Geschichte gäbe. Derartig unkommentierte Fotos in der Machart nationalsozialistischer Propaganda wie in dem Königstein-Buch könnten zu gefährlichen Schlußfolgerungen führen. Bei den Autoren Gerd und Erika Garber in Bath ist eine "Nachilfe" dieser Art erfreulicherweise nicht nötig.
Gabriele Klempert
Garber, Gerd und Erika. Barth. Eine Stadt am Bodden. 2001. 128 S., 200 Abb., 24 cm, SC; Euro 17,84
ISBN 3-89702-335-0
 
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