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Iran – Islamischer Staat und jahrtausendealte Kultur

Wer seinen diesjährigen Krimurlaub spontan abgesagt hat, sollte einmal ernsthaft über eine Alternative als Reiseziel nachdenken: den Iran. Auch dort sind die Verbindungen zu Russland intensiv, freilich ohne dass gleich erzwungene Beitrittsreferenden oder die Besetzung drohen. Zudem bleibt der Kitzel atomarer Bedrohung erhalten – wobei man nicht unbedingt nach Bushehr, dem iranischen Reaktorstandort fahren muß, sondern reichlich andere Ziele haben kann.
Souveräner Reisebegleiter durch den „islamischen Staat“ und die „jahrtausendealte Kultur“ (so der Untertitel des Buches) ist Peter Kerbers Cicerone mit dem schlichten Titel „Iran“. Der Band erschien als Reiseführer im renommierten Trescher-Verlag, ist daher in allen Hinweisen auf die Erkundung vor Ort ausgelegt und besitzt einen ausgeprägten Serviceteil, der ganz auf die Bedürfnisse des westlichen – genauer: deutschen und deutschsprachigen – Touristen zugeschnitten wurde. Doch mehr noch lässt sich der Band auch wie ein Lesebuch durch die Kultur, Wirtschaft, Politik und Natur eines Landes begreifen, von dem wir immer nur Horrormeldungen bekommen (manche Stimmen meinen: ganz mit Absicht).
Von den mehr als 550 Seiten sind weit über die ersten hundert einer umfassenden Einführung gewidmet, die in gedrängter, konziser Form die Voraussetzung für den Reisenden schafft, um das, was er sieht, auch zu begreifen. Von der elamischen Zeit (mit seiner Keilschrift), über die Achämeniden (Persepolis!), zur arabischen Eroberung, dann weiter über die verschiedenen Reiche und Regentschaften hin zum letzten Schah und dem Umsturz 1979 reicht der historische Bogen, der den Hintergrund für die Entwicklung der „Perser“ bildet. Man erfährt von den Eigenheiten: der „arischen“ Volkszugehörigkeit, der indoeuropäischen Sprache, der zarathustrischen Ur-religion, dem Schiitentum und seiner religiösen Gelehrigkeit (Sufismus), bis hin zur komplexen Gemengelage im heutigen Staatssystem. Vertieft und erweitert wird die Fülle der hier ausgebreiteten Informationen dann in den geographisch nach Regionen, Städten und Sehenswürdigkeiten gegliederten und mit reichem Kartenmaterial ergänzten Einzelkapiteln. Das alles ist durchsetzt von zahlreichen Farbaufnahmen, von denen nicht wenige der Autor selbst beigesteuert hat.
Peter Kerber hatte ursprünglich für einen Chemiekonzern jahrelang im Iran gearbeitet und nutzte dann sein Interesse am Orient, indem er selbst als Autor tätig wurde. Steile wissenschaftliche Thesen zur Entwicklung von Kunst, Architektur oder angewandter Religionsausübung wird man daher im vorliegenden Buch vermissen. Gleichwohl sind die Erkenntnisse der Literatur gut wiedergegeben und immer aus der Sicht des Reisenden vor Ort gespiegelt. Kerber schreibt über die Natur- und Kulturschätze des Landes aus einer praktischen, angewandten Perspektive. Er ist daher den Dingen auf unaufdringliche Weise näher als manches Kunstbuch, das verhandelt, was man gar nicht sehen kann. Das zeigt sich auch dann, wenn es um Zeitgenössisches geht: selbstverständlich beschrieben sind auch immer große, moderne Bauten, die das Bild der Städte prägen, darunter beispielsweise die in den Stadtraum ausgreifenden Mosallas (so etwas wie Staats-Moschee-Komplexe für das Freitagsgebet), die seit der Revolution von 1979 überall entstanden und entstehen.
Wer sich daher für Kunst und Baukunst des Iran (und noch viel mehr) interessiert, der bekommt durch Kerbers Buch den soliden Zugang UND die Anleitung für den Besuch vor Ort geliefert. Insofern verbindet der Band das Beste beider Genres, des Reisebuchs und des kulturhistorischen Fachbuchs.

14.05.2014
Christian Welzbacher
Iran. Islamischer Staat und jahrtausendealte Kultur. Kerber, Peter. Trescher-Reihe Reisen . 2014. 576 S. 400 fb. Abb. 55 Karten. 19 x 12 cm. Engl. Br. Trescher Verlag, Berlin. EUR 21,95 CHF 29,90
ISBN 978-3-89794-233-2
 
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