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Burg Hohenzollern

Der erste Eindruck. Ein unübersichtlicher Bildband über die Burg und ihre Umgebung, übervoll mit Fotografien, Stichen, Abbildungen von Gemälden, Wand- und Deckenmalereien, Zeichnungen, Ansichtskarten. Illustrationen zu einem Sachbuch mit historischen Beiträgen, Erzählungen, Geschichten, Anekdoten, Interviews, lexikongleichen thematischen Exkursen. Dann der zweite Blick. In eine Schatzkammer ohne Register und eine Fülle hier verborgener Beschreibungen, Geheimgänge und Objekte, die es zu entdecken gilt. Wie jene Tabakdosen Friedrich des Großen, die 1953 bei einem spektakulären Einbruch zurückblieben. Womit wir, zusammen mit einem Kurzporträt der Königin Luise die hier auch mit einer Haarsträhne vertreten ist, im vierten, preußischen Burgbau angekommen sind. Den eine faszinierende frühe Fotografie im Rohbau des Jahres 1855 zeigt. Und der 1867 eingeweiht, nach 1871 zum Nationaldenkmal avancieren wird.
In den Zeiten davor Geläufiges, ausführlich. Die erste Burg des 11. Jahrhunderts, von den Reichsstädten zerstört und nach 1450 von unwillig dafür Frondienste leistenden Untertanen wieder aufgebaut, häufiger Besatzungswechsel bis in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts, dann der zeittypische Verfall. Eine Endzeit, in der Verfall und Romantik eins werden und architektonisches Ideal, Leitbild für nun neu gebaute, künstliche, schöne Ruinen. Weshalb für den dritten Burgbau 1823 alle Burgteile bis auf die noch heute existierende katholische Burgkapelle gesprengt werden und die Burg neu gebaut wird. Doch der Geschmack ändert sich, und eine neue, preußische Zeit holt diesen dritten Burgbau schon nach 1840 ein. Hat doch der preußische König Friedrich IV. die Burg seiner Ahnen seit seinem ersten Besuch 1819 nicht vergessen. Ein Neubau wird geplant, realisieren läßt er sich erst nach der Revolution 1848 und der Abdankung der süddeutschen Hohenzollernfürsten. Ein Burgneubau, die Zeiten sind unruhig geworden, nun Festung mit Burg als königlich-preußischem Hohenzollernwohnsitz. Erbaut von Militär-Ingenieuren, Stüler und Persius, Schinkel war zu teuer, neugotisch. In jenem Stil also, bei dem sich so oft das Gefühl einstellt das Dekorative sei die Substanz. Ein Gefühl, das einen auch in der Burg-Bibliothek nicht verläßt die, mehr Gang als Zimmer, insgesamt 75 Bücher heraldischen und historischen Inhalts enthält. Und die sich bei einem Rundgang durch all diese Kammern, Räume und Salons zeigt, unter denen der Blaue Salon der Königin und der Grafensaal, Vorbild war die Saint Chapelle, herausragen.

Womit lediglich der architektur-historische Kern dieses Buches skizziert ist. Gespickt ist er mit, wo beginnen, Informationen zu Flora und Fauna der Burg, ihren Sagen, dem Alltagsleben, mit Einblicken in zeitgenössische Waffentechniken, Heraldischem und Dynastischem, der Formensprache der gotischen Architektur und gar semantischen Bezügen im mittelalterlichen und heutigen Wortgebrauch. Eine kulturgeschichtliche Fundgrube für ein breites Publikum, in der sich eine realistisch-kritische Sicht auf Regionalgeschichte und größere historische und kunstgeschichtliche Rahmenbedingungen einsichtig miteinander verbinden.

04.12.2018
Wolfgang Schmidt, Berlin-Friedenau
Burg Hohenzollern. Großer Burgführer. Glückler, Patrick. 192 S. 591 fb. Abb. 30 x 21 cm. Imhof Verlag, Petersberg 2018. EUR 19,95. CHF 22,90
ISBN 978-3-7319-0702-2   [Michael Imhof]
 
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