KunstbuchAnzeiger - Kunst, Architektur, Fotografie, Design Anzeige Verlag Langewiesche Königstein | Blaue Bücher
[Home] [Kunst] [Rezensionen] [Druckansicht]
Themen
Recherche
Service

[zurück]

Walter Kaesbach und die Kunstakademie Düsseldorf.

Walter Kaesbach – ein vergessener Streiter für die Moderne.
Vor mehr als einer Generation versammelte der Band „Avantgarde und Publikum“ Biographien der wichtigsten Sammlerinnen und Sammler, Kunsthändlerinnen und Kunsthändler sowie Museumsdirektoren (-direktorinnen waren nicht dabei), die zwischen 1905 und 1933 in Deutschland für die Anerkennung der modernen Kunst kämpften. Von den Nationalsozialisten wurden diese Pioniere fast durchweg als „Zuhälter der Entarteten Kunst“ verfemt und – soweit sie bis 1933 öffentliche Ämter bekleideten – entlassen, verfolgt und zum Teil ins Exil vertrieben. Mancher der vor mehr als 30 Jahren mit einem Beitrag in dem Sammelband Gewürdigten hat seither weitere Beachtung erfahren. Einigen Protagonisten des Kampfs um die Moderne, wie etwa Alfred Flechtheim, Ludwig Justi oder Max Sauerlandt, sind seitdem eigene Bücher gewidmet worden, andere, wie Herbert von Garven-Garvensburg, Rudolf Ibach oder Otto Ralfs sind nahezu vergessen. Zu letzteren gehört sicherlich auch Walter Kaesbach (1879-1961), der eine illustre Biographie vorzuweisen hat: Vor dem Ersten Weltkrieg arbeitete der Kunsthistoriker als Assistent von Hugo von Tschudi und Ludwig Justi an der Berliner Nationalgalerie, 1920 wurde er Direktor des Städtischen Kunstmuseums in Erfurt, wo er Erich Heckel mit der Gestaltung von Wandmalereien beauftragte. Seine eigene, über Jahre aufgebaute Kunstsammlung an Werken der deutschen Expressionisten stiftete er dem Städtischen Museum von Mönchengladbach, das durch die „Kaesbach-Stiftung“ zu einem Ort der Moderne wurde. 1924 schließlich wurde Kaesbach als Direktor der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf benannt, an die er u.a. Heinrich Campendonk und Paul Klee als Professoren berief.
Die bis heute legendäre Kunstakademie führte er somit in die Moderne – bis das „System Kaesbach“ ab 1933 als Verbrecher verunglimpft und der „Judenfreund“ Kaesbach, ebenso wie Campendonk und Klee, durch die Nazis entlassen wurde.
Anlässlich des hundertsten Jahrestages seiner Berufung erweist die Düsseldorfer Kunstakademie ihrem einstigen Direktor die ihm gebührenden Ehre, indem sie dem heute fast Vergessenen eine monumentale Monographie widmet, die vor allem sein Wirken in Erfurt und Düsseldorf würdigt. Der großzügig gestaltete Band wartet mit wissenschaftlichen Beiträgen und zahlreichen Faksimiles von (durchweg nicht transkribierten) Briefen von Künstlerfreunden auf. Statt mancher Abbildungs- und zahlreicher Vakatseiten hätte man sich weitere vertiefte Forschung gewünscht, die etwa neue Erkenntnisse zu Kaesbachs Leben und Werk in der ‚inneren Emigration‘ liefert: Von den Nationalsozialisten entlassen, war Kaesbach seit 1933 dazu verdammt, aus seinem Rückzugsort am Bodensee, wo er in Nachbarschaft zu Erich Heckel lebte, die Verunglimpfung seines Lebenswerks und die Verfemung der Moderne zu beobachten. 1945 dachte er offenbar nur kurz darüber nach, nach Düsseldorf zurückzukehren, bis er – angesichts der restaurativen Kunstpolitik der frühen Bundesrepublik – resigniert feststellen musste: „nach allem, was ich aus Düsseldorf gehört habe, bin ich heilfroh, daß ich hier weiter gärtnern darf.“

06.09.2024
Rainer Stamm
Walter Kaesbach und die Kunstakademie Düsseldorf. Hrsg.: Sondermann, Vanessa; Beitr.: Bering, Kunibert; Deicher, Susanne; Morgan, John; Nowak, Cornelia u.a. 312 S. 96 sw. Abb., 105 fb. Abb. 22,5 x 30 cm. Deutscher Kunstverlag, Berlin 2024. EUR 44,00.
ISBN 978-3-422-80203-2
 
© 2003 Verlag Langewiesche [Impressum] [Nutzungsbedingungen]