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Ein asiatischer Stellschirm macht Karriere

Neben Porzellan, Lack und Seide zählten Paravents aus Japan und China im 17. und 18. Jahrhundert zu den begehrten Luxusgütern der europäischen Oberschicht. Die Handelsflotten der Niederlande und Portugals importierten Stellschirme in großer Zahl. Europäische Kunsthandwerker wiederum ließen sich von den asiatischen Paravents inspirieren. Nach ihrem Vorbild schufen sie Wandschirme mit Tapisserie- oder Lederbespannungen oder aus bemalten Paneelen, die häufig chinoisen Dekor zeigten. An der Wende zum 19. Jahrhundert kamen zudem mit Buntpapier und (Landschafts-)Tapeten beklebte Stellschirme in Mode. Über zwei Jahrhunderte gehörte der Paravent zum unerlässlichen Bestandteil der gehobenen Wohnkultur. Er schützte vor Zugluft und fungierte nebenbei als höchst dekorativer Raumteiler.
Der Paravent hat seinen Ursprung in China, wo er bereits zur Zeit der Han-Dynastie verbreitet war. Im 7./8. Jahrhundert fand er seinen Weg nach Japan. Als „Byôbu“ (wörtl. Windschutz) eroberte er zunächst die höfische Wohnkultur, spielte dort seine Hauptrolle als zeremonielles Möbel. Denn mit ihrer meist aufwändigen Goldbemalung waren Byôbus wie geschaffen, die Bedeutung eines Herrschers augenfällig zu unterstreichen.
Eine Delegation christlicher Lehnsfürsten brachte 1582 die ersten Stellschirme als Gastgeschenke für König Phillip II. von Spanien und Papst Gregor XIII. nach Europa.
Mit dem Aufblühen der ost-westlichen Handelsbeziehungen kamen immer mehr Exemplare in den Westen – meist unmontiert, ohne Scharniere. Im Begeisterungstaumel für alles „Indianische“ wurden nicht wenige dieser Importe an den europäischen Fürstenhöfen zweckentfremdet. Die einzelnen Paneele wurden für die Verkleidung der im 17. Jahrhundert zunehmend beliebten Lack-Kabinette eingesetzt, wobei die Raum-Dekoration durch europäische Maler ergänzt wurde.
Im japanischen Kabinett von Schloss Eggenberg bei Graz wurde erst 2001 im Zuge von Restaurierungsarbeiten entdeckt, dass es sich bei der dortigen Dekoration um einen achtteiligen japanischen Wandschirm aus dem 16. Jahrhundert handelt. Er schildert in fröhlichen Szenen das Leben in der blühenden Residenzstadt Osaka unter Toyotomi Hideyoshi (1536-1615). Dieser Herrscher hatte die Einheit des japanischen Reiches wiederhergestellt und in seiner kurzen Regierungszeit für eine kulturelle und wirtschaftliche Blüte gesorgt. 1615 jedoch wurde die prosperierende Metropole bei ihrer Eroberung durch die Tokugawa zerstört.
Der sensationelle Fund in Österreich weckte auch das Interesse japanischer Wissenschaftler, die seither gemeinsam mit Japanologen aus Köln die Bild-Botschaften dieses kulturhistorischen Dokuments entschlüsseln. Dabei konnte die Frage, wie der Byôbu seinen Weg nach Graz fand, bislang noch nicht geklärt werden. War er durch die Eggenberg-Dynastie erworben worden? Handelte es sich um ein Geschenk?
Die bisherigen Resultate der Forschungen zum Osaka-Paravent im Schloss Eggenberg wurden nun in einem reich bebilderten Band zusammengefasst. Er erweckt die blühende Residenzstadt Ôsaka quasi zu neuem Leben. Der Leser lernt in prachtvollen Bildern den Alltag des Schwertadels mit seinen religiösen Bräuchen, Teezeremonien und Bootspartien kennen. Die Beiträge österreichischer, deutscher, niederländischer und japanischer Autorinnen und Autoren behandeln darüber hinaus die Geschichte des japanischen Byôbu, seine Bedeutung als Exportschlager und als ost-westlicher Kulturbotschafter. Der Band ist somit eine wichtige Quelle für jeden, der sich für die Kulturgeschichte des Paravents interessiert, eines Möbels, das auch in Europa über zwei Jahrhunderte seinen Stammplatz in den Salons behauptete. Die Tatsache, dass es recht wenig deutschsprachige Literatur über die Geschichte dieses in Vergessenheit geratenen Möbeltyps gibt, macht den Bildband aus Graz besonders wertvoll.

02.02.2011
Regina Voges
Ôsaka zu byôbu. Ein Stellschirm mit Ansichten der Burgstadt Ôsaka in Schloss Eggenberg. Joannea. Neue Folge, Band 1. Hrsg.: Franziska Ehmcke und Barbara Kaiser. Universalmuseum Joanneum, Graz 2010. Engl. abstract, 241 S., Br. EUR 29,90. Erhältlich im Schloss Eggenberg. /www.museum-joanneum.at/de/schloss_eggenberg.
ISBN 978-3-902095-32-9
 
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