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„…dass man in den Gärten alle Kräuter habe…! |
Die historische Persönlichkeit Karl des Großen (768–814) ruft heute immer mehr das Interesse der Forscher hervor, deren Zusammenarbeit neue Auskünfte und Aspekte über seine Geschichte enthüllt. Als ein gutes Beispiel wissenschaftlicher Kollaboration kann dieses 2008 erschienene, bildgewaltige Buch gelten, das uns einen wichtigen Aspekt des täglichen Lebens im Mittelalter in der kaiserlichen Pfalz von Aachen näher bringt, nämlich die Verwendung verschiedener Pflanzen als Nahrungs- bzw. Heilmittel.
Im ersten Kapitel, Capitulare de villis (S. 10–45) diskutieren die Autoren Karl Josef Strank und Karl Schultheis einige Aspekte der Geschichte der Kapetinger, Karolinger und Ottonen in Bezug auf die Figur und das Bild Karls des Großen, das sich im Laufe der deutschen Geschichte ständigen Veränderungen unterworfen war. Sehr interessant ist die Art und Weise wie die Autoren die archäologischen und schriftlichen Quellen verbinden, um dem Leser einen Einblick in den sozialen und wirtschaftlichen Kontext im 8.–9. Jh zu bieten. Dabei erklären sie die handwerklichen und landwirtschaftlichen Techniken der entsprechenden Jahrhunderte. Als Quellen wurden vorwiegend das Capitulare de villis und das Brevium exempla verwendet –schriftliche Dokumente die Inventuren mit Pflanzen enthalten, die an Karls Höfen gediehen sind. Es folgen die Beschreibungen von 17 historisch verbürgten Persönlichkeiten, die ihren Beitrag zur Botanik und Medizin in der Antike, im Mittelalter und der Neuzeit geliefert haben, darunter Dioskorides, Konrad von Megenburg, Carl von Linné, Darwin, etc. Um die Bedeutung der Archäobotanik für das Studium der Pflanzenreste aufzuzeigen, erklären die Autoren die Methoden (38–39), die für die Analyse der Samen oder Pollen der Funde aus archäologischen Fundkontexten wie Latrinen, Brunnen und Gruben verwendet werden.
Im zweiten Teil des Buches, Pflanzenportraits (S. 48–384), wird zunächst jede der 103 Pflanzen, die im Capitulare de villis Erwähnung finden, botanisch und archäobotanisch beschrieben, ihre geschichtliche Bedeutung vorgestellt, sowie die heutige Verwendung besprochen. Erwähnung finden hierbei die unterschiedlichen Arten von Obst, Gemüse, Gewürzen oder Blumen wie beispielsweise die Zuckermelone (S. 83), der Flaschenkürbis (S. 86), Rosmarin (S. 97), Hundsrose (S. 56) und die Madonnenlilie (S. 52). Als Beispiel hierfür sei das der Hundsrose aufgeführt. Im Buch finden wir die Informationen zum botanischen Name (Rosa canina L, S. 56–60), die übergeordnete Zugehörigkeit zu der Familie (Rosaceae) und dabei befinden sich auch die Namen in English, Französisch und Niederländisch. Neben der detaillierten Beschreibung der Wuchsbedingungen, kann man auch sinnbildliche Erläuterungen die unterschiedlichen Kelchblätter der Hundsrose betreffend lesen, wie die folgende: Quinque sumus fratres unus barbatus et alter, imberbesque duo, sum semiberbis ego, mit der Übersetzung: Wir sind fünf Brüder, einer und ein weiterer mit Bart, zwei sind ohne Bart, ich bin nur halb bebärtet (S. 56). Des Weiteren erfahren wir, dass die Archäologen Rosenkerne bei Ausgrabungen gefunden haben, die laut paleoethnobotanischen Analysen in die Jungsteinzeit und Eisenzeit datiert wurden. Die älteste Darstellung einer Hundsrose wurde auf der Insel Kreta entdeckt, im Palast des minoisch datierenden Knossos (S. 57). Im Mittelalter schließlich scheint die Hundsrose in verschiedenen Desserts verwendet worden zu sein. Für die Verbesserung der Gesundheit wurde sie als Hausmittel von Hildegard von Bingen empfohlen. Aus den Blättern haben die „Apotheker“ verschiedene Salben hergestellt, und die Hagebutten waren sehr gute Remedien für Nierenentzündungen (S. 58). Auch die Symbolik der Rose ist sehr interessant. Manchmal hatte die oben genannte Pflanze die Bedeutung von Vertraulichkeit oder Verschwiegenheit, weiterlebende Seele bei Germanen und Weisheit sowie mystische und religiöse Symbole. (S. 59).
Des Weiteren findet der interessierte Leser als besonderes Extra 38 Rezepte und pharmazeuthische Präparate, bei denen die zuvor beschriebenen Pflanzen wichtige Ingredienzien darstellen. Als Beispiele seien Lammkoteletts mit Tomaten und Minze (S. 386), Anistinktur (S. 387), sowie u. a. Aachener Printen (S. 396) genannt. Diese Rezepte mögen auch zum Nachkochen animieren.
Im letzten Teil des Buches, Die Karlsgärten in Aachen (S. 404–410), wird ein modernes Gartenprojekt in Aachen vorgestellt, welches sich der mittelalterlichen Leistungen im Gartenbau verschrieben hat und dem heutigen Besucher einen Eindruck über die Vielfalt der zur damaligen Zeit verwendeten Pflanzen (alle Pflanzen aus dem Capitulare de villis betreffend) bietet. Ein abschließender Plan hilft dem Touristen sich schnell auf dem Gelände zu Recht zu finden.
Das Buch schließt mit einem Register (S. 412–415), welches den deutschen Namen und die lateinische Speziesbezeichnung der erwähnten Pflanzen enthält, sowie ein Literaturverzeichnis mit den wichtigsten weiterführenden Verweisen. Das Buch überzeugt durch seinen klar gegliederten Aufbau und gut lesbaren Stil, sowie die alternierenden Bilder von heutigen Pflanzen mit verschiedenen Bildauszügen aus mittelalterlichen Manuskripten, die ästhetisch besonders ansprechend sind. Die lexikonartige Gestaltung macht die Publikation zu einem guten Arbeitsinstrument für den Fachmann und läd den historisch wie botanisch interessierten Leser gleichfalls zum Schmökern ein.
15.04.2012 |
Roxana-Elena Licuţă |
„…dass man in den Gärten alle Kräuter habe…! Obst, Gemüse und Kräuter Karls des Großen. WSG 1421. Hrsg. V.: Josef Strank, Jutta Meureres-Balke. 408 S., 110 fb. Und 110 sw Abb., 22 x 25 cm, Gb. Mit Schutzumschlag. Philipp Zabern Verlag, Mainz 2007. EUR 44,90 |
ISBN 978-3-8053-3879-0
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