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Frauen am Münchener Hof |
„Frauen am Münchener Hof“ ist eine historische Studie, die sich zum Ziel gesetzt hat, die Handlungsmöglichkeiten von Frauen in den Jahren 1651 bis 1756 zu untersuchen. Der Autorin liegt dabei am Herzen, den Einfluss der Kurfürstinnen, Prinzessinnen, Mätressen und Amtsträgerinnen auf ihr eigenes, Hof- und politisches Leben zu beschreiben und zwar an einem Hof, der bisher vor allem als Männerdomäne wahrgenommen wurde: So kennt ihn eine breite Öffentlichkeit im Zusammenhang mit den Kurfürsten, wie dem Türkenbesieger Max Emanuel oder dem Kaiser Karl Albrecht. Die für den Kunstbuchanzeiger relevanten Bereiche, Kunst und Kultur, sind in der Dissertation Britta Käglers nicht ausdrückliches Thema, aber der Münchner Hof war im besagten Zeitraum tonangebend in diesem Bereich und setzte Maßstäbe für andere Höfe des hl. Römischen Reich deutscher Nation. Es ist also der Neugier der Rezensentin zu schulden, dass hier nun eine explizit historische Studie vorgestellt wird.
Es sind drei große Themenbereiche, die Käglers Studie bestimmen. Zunächst steht der barocke Alltag im Vordergrund, denn natürlich muss die Autorin, um die Handlungsmöglichkeiten der Frauen aufzuzeigen, das Leben am Münchner Hof – hier konzentriert sie sich vor allem auf das Frauenzimmer – vorstellen. Die starke Ritualisierung des Alltags, die regelmäßigen Besuche der Messen, der immer gleiche, dem Kirchenjahr und Festtagen (Geburtstage, Taufen, Begräbnisse, Hochzeiten) der herrschenden Familie folgende Kalender sind dabei ebenso Thema wie die ebenfalls stark ritualisierten Ausnahmen von dieser Regel: die Aufenthalte auf Sommerschlössern, die Festivitäten und natürlich das regelmäßige Wochenbett der Kurfürstinnen. Kennzeichen dieses Alltags ist auch seine Ausrichtung auf die fürstliche Familie und die Person des Fürsten als Machtzentrum, so dass die Nähe zum diesem durchaus die weiblichen Wirkungspotenziale beeinflusste. Dann spricht die Autorin Bereiche an, die klassischerweise als weiblich definiert werden: Die Kindererziehung ist Gegenstand der Untersuchung, besonders die der Prinzessinnen, die bereits in ihrer Erziehung auf ein Leben an einem fremden Hof vorbereitet wurden und deren Verehelichung in die Fremde auch immer eine Einflussmöglichkeit für die Ursprungsfamilie bedeutete, in diesem Fall ist die Korrespondenz der adligen Damen Gegenstand der Untersuchung. Daneben wird auch die Betreuung der fürstlichen Säuglinge durch Ammen und die frühkindliche Erziehung thematisiert. Zuletzt kommt auch das Thema Kunst und Kultur immer wieder zur Sprache, bereits dadurch, dass zwei Kurfürstinnen aus dem Ausland, Italien und Polen, kamen. Die Frage nach dem Kulturtransfer ist somit unumgänglich. Während der Einfluss aus Italien dabei das Leben am bayerischen Hof, gerade die Fest- und Baukultur, veränderte, wurde der polnische Einfluss bereits durch die Möglichkeiten, die der ersten Dame durch den Kurfürsten zugestanden wurden, begrenzt. So durfte Therese Kunigunde ihr Frauenzimmer nicht selbst gestalteten, konnte nur wenige Vertraute mitnehmen und traf zudem auf eine fest etablierte Mätresse, die noch nachdem sie die Gunst des Kurfürsten verloren hatte als Vermittlerin von Kunstgegenständen und Künstlern aus Frankreich präsent war. Trotz allem schaffte es Therese Kunigunde, sich zu etablieren, und bekam in den Exiljahren Max Emanuels sogar die Regierungsverantwortung übertragen.
Die Dissertation Britta Käglers schafft es also, ein breites Panorama von Handlungsbereichen fürstlicher, in Teilen auch bürgerlicher Frauen am bayerischen Hof vorzustellen. Dabei verlässt die Autorin die biographische Ebene, um zu generellen Aussagen zu gelangen. Dieses Vorgehen ist notwenig, gerade in dem Bereich der Amtsträgerinnen, da hier die Personen häufig wechselten und so die Möglichkeiten, die ein Amt am Hof bot, besser von Einzelschicksalen abstrahiert dargestellt werden kann. Und doch wird die Studie gerade dadurch bereichert, dass Kägler immer wieder einzelne Schicksale als Exempel heranzieht. Der Leser bekommt dabei Lust auf mehr. Dies gilt auch für den Bereich der Kunst und Kultur. Hier muss die Studie, die im Fachbereich der bayerischen Geschichte angesiedelt ist, verkürzt bleiben und kann manche Fragen nicht klären: Zum Beispiel die Frage nach der Qualität, die die durch die Hofdamen angefertigten Stickereien erreichten, welchen Einfluss die Gräfin d’Arco auf die Auswahl von Kunstgegenständen und somit auf die optische Erscheinung des Münchner Hofes hatte, wie sich das Verhältnis Therese Kunigundes zu Vivaldi gestaltete und wieso dieser doch nicht nach München kam? Jedem, der sich mit frühneuzeitlichem Alltag am Hof, Frauen im Barock und dem Münchner Hof beschäftigt, sei die Lektüre des Werkes trotzdem wärmstens angeraten. Der Käufer sollte allerdings bedenken, dass das Buch als wissenschaftliche Arbeit leider nicht für ein breites Publikum gedacht ist und vielleicht mit dem einleitenden Kapiteln zum Forschungsstand und Methode, den umfangreichen Fußnoten und einem Umfang von 500 Seiten trotz sehr guter Lesbarkeit manchen Laien abschrecken wird.
02.01.2013 |
Vera Herzog |
Kägler, Britta. Frauen am Münchener Hof (1651-1756). 623 S. 24 x 16 cm. Gb. Michael Lassleben Verlag Kallmünz 2011. EUR 48,00. |
ISBN 978-3-7847-3018-9
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