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Kleopatra - Die ewige Diva |
Wer kennt sie nicht: die berühmteste Ägypterin, die nicht nur Historiker und Forscher, sondern spätestens mit Astérix durch ihre schöne Nase Jung und Alt fasziniert. Dabei ist jedoch markant, dass eben die meisten Beschäftigungen mit der Persönlichkeit Kleopatra VII. Philopator (69–30 v. Chr.) häufig eher auf eine mit ihrem Mythos hinauslaufen. Denn tatsächlich handelt es sich um nur recht wenige historisch belegte Daten und Fakten, die wir mit der ägyptischen Königin verbinden können. Die Ausstellung in der Bonner Kunsthalle, kuratiert von E. Bronfen und A. Lulinska, begeht gar nicht erst den Fehler mithilfe von Exponaten der historischen Figur auf die Spur zu kommen, sondern wendet sich sowohl in der Ausstellung, die dieser Tage zu Ende gegangen ist, als auch in dem beim renommierten Hirmer-Verlag erschienen Begleitband sogleich dem Mythos zu.
Der Begleitband ist in zwei Teile gegliedert und beginnt mit einer Sammlung von zwölf Essays, die sich jeweils den einzelnen Sujets in knapper aber gehaltvoller Weise und entsprechend bebildert nähern. So geht E. Bronfen zunächst der Entstehung und der Bedeutung des Mythos nach (S. 8–23). Die Faszination, hier ist sich E. Bronfen sicher, geht dabei besonders von der „Verschränkung von politischer Macht und Verführung“ aus (S. 9), wie sie von der historischen Königin belegt ist, sowie einer generellen Begeisterung des Westens für den Orientalismus. Der Beginn dieses Enthusiasmus’ ist aber eben nicht ein Produkt des Orientalismus oder der Ägyptomanie des 18. Jh., sondern bereits in der Antike zu suchen. Gerade die römischen Zeitgenossen Caesars sind entscheidend an der Entstehung des Mythos und damit der Ikone Kleopatra beteiligt. Cicero, Properz, Plutarch und Plinius liefern angeblich historisch belegte Details wie das Auflösen einer teuren Perle in Essig während eines Gelages oder das Motiv der regina meretrix – der königlichen Dirne – welches die Königin bereits zu Lebzeiten in Verruf brachte und bis heute das Bild der Kleopatra in Theater, Malerei und Film beherrscht. Dabei ist es sicherlich die Inszenierung des eigenen Freitodes, welchem die ägyptische Königin unumstritten ihre bis heute wirkende Faszination und „Unsterblichkeit“ verdankt. Kein Aspekt ihres Lebens hat sich nachdrücklicher in die Kunst des Abendlandes eingebrannt und ihr Tod kann, wie dies U. Eigler in seinem Beitrag auf den Punkt formuliert, als ihr „Triumph“ angesehen werden (S. 46–55). Ebenso legendär wie ihr Tod ist ihre Schönheit und Ausstrahlung, mit der sie die mächtigsten Männer ihrer Zeit für sich gewann. Inwieweit dies der Wahrheit entspricht, lässt sich nur schwer nachvollziehen. Zum einen sind nur wenige Bildnisse, wie beispielsweise ihr Münzkonterfei auf uns gekommen, zum anderen ist generell die Frage erlaubt, inwiefern diese Inszenierungen ein realistisches Bild wiedergeben.
Es ist sicher als ausgesprochener Glücksgriff anzusehen, dass die Kuratorinnen sich in einer Breite dieser Thematik gewidmet haben, wie sie bislang noch nicht zu sehen war. Dabei wird versucht eine allumfassende und tiefgründige Schau zu präsentieren, die sich auch im Katalog widerspiegelt. Der historischen Persönlichkeit wird dabei aufgrund der Quellenlage sowohl in Form von Ausstellungsstücken als auch schriftlich nur wenig Raum gegeben: So findet sich eine kurze Zusammenstellung der wichtigsten verbürgten Lebensdaten und -stationen Kleopatras inklusive einer knappen Einschätzung Sally-Ann Ashtons (S. 34–45). Im Fokus der Ausstellung und des Katalogs steht die Bedeutung der Königin in Malerei und Film. Bereits in der Renaissance – vor allem in Italien – entdeckte man Kleopatra neu und widmete sich vorwiegend dem klassischen Szenerepertoire des Freitodes (z.B. Kupferstich von L. Penni), wie sie sich u. a. in den Werken G. Boccaccios, der die Ptolemäerin in seinen „Kanon“ der „De claris mulieribus – die großen Frauen“ aufnahm. Es sind diese frühen Werke, die letztlich die Historienmalerei des 19. Jh. beeinflusst haben und im Wesentlichen das Persönlichkeitsbild Kleopatras im Abendland gestaltet haben. Die Bilder von Malern wie Jean-Léon Gérôme, Alexandre Cabanel oder Eugène Delacroix – um nur einige namhafte Künstler zu nennen – wirken bis heute fort und haben das vor allem erotisch aufgeladene Bild der ägyptischen Königin stark geprägt. Neben der Erotik spielt allerdings auch die Exotik eine ganz entscheidende Rolle für die Erfolgsgeschichte des Motivs: Die Bildungsreisen in den Orient verstärkten eine generelle Faszination und Beschäftigung mit Ägypten und seinen Nachbarländern, die letztlich auch die ersten wissenschaftlichen Expeditionen bedingte, wie die von R. C. Lepsius oder die im Gefolge des napoleonischen Ägyptenfeldzugs. Diese Expeditionen lösten in Europa eine wahre Welle einer „Ägyptomanie“ aus, die letztlich zu einer Vielzahl von Kunstwerken in Form von Gemälden, Romanen (z.B. Théophile Gautier) sowie Musikstücken führen (vgl. Beitrag von E. Héran, S. 90–103). Zudem kam es gleichzeitig auch zu einer Renaissance bereits sehr viel früher entstandener Werke wie beispielsweise des bereits 1606/07 uraufgeführten Dramas Shakespeare’s.
Ägypten und Oper ist eine Erfolgsgleichung, die zunächst häufig dieser Tage mit der Person des Italieners Giuseppe Verdi, aber ohne Zweifel ebenso mit der der ägyptischen Königin verbunden werden kann. Wenngleich heute nur noch wenig bekannt, so spielt doch Kleopatra seit dem 17. Jh. in nahezu 80 Opern, sowie in einer Vielzahl von Balletinszenierungen eine Hauptrolle (vgl. Beitrag von Grimm-Stadelmann/A. Grimm, S. 104–115). Hierzu gehören neben dem Werk ‚Giulio Cesare in Egitto’ von Georg Friedrich Händel auch das seinerzeit furios gefeierte, 1912 uraufgeführte Werk Jules Massenets. Die immer wieder vorzufindenden Motive in Literatur, Malerei und Bühnenkunst – vor allem bei der Staffage, dem Bühnenbild und den Kostümen – belegt zudem eine starke gegenseitige Beeinflussung und zugleich Rezeption der unterschiedlichen Kunstformen dieser Zeit. Doch Kleopatra war nicht nur der Star des ausgehenden 18./19. Jh., sondern hat es bis in die moderne Massenkultur geschafft, sich das Renommée einer Ikone zu erhalten. Hierfür sind sicherlich nicht zuletzt die an Bedeutung gewinnende Photographie und der Film verantwortlich. Dem ersten Stummfilm von 1899, der sich der Thematik „Kleopatra“ widmet, folgen eine Vielzahl weiterer Produktionen, die heute zwar zumeist nur noch Cineasten bekannt sind, deren Staffage und Präsentation aber der Königin gerade in Hinsicht auf Kostümierung und Modebewusstsein entscheidende Akzente gesetzt haben. Zu nennen sind hier sicherlich die Schauspielerinnen Teda Bara und Claudette Colbert, die sich teilweise allein durch ihre Kleopatra-Rollen als eigene unvergessene Ikonen stilisiert haben. Die einprägsamste Schauspielerin in dieser Rolle ist aber sicherlich unbestritten Elizabeth Taylor in dem 1963 erstmals gezeigten Hollywood-Streifen von Joseph L. Mankiewicz. Diese Inszenierung ist es letztlich, auf die sich auch die meisten der heutigen Adaptionen des Stoffes beziehen.
In ihren Beiträgen zur „Popmusik“ und „Mode“ gelingt es den beiden Autoren T. Keller (S. 124–131) und S. Hermanski (S. 132–141) bei aller Glorifizierung und „Glamourisierung“ allerdings auch ein sehr denkwürdiges Bild zu zeichnen. Durch die „Verkörperung des exotisch-erotischen Glamour“ (Keller, S. 125) hat es Kleopatra zwar zur Ikone der heutigen Massenkultur geschafft, doch zeigt sich gleichzeitig, dass die dereinst symbolisch hoch aufgeladene Figur der ägyptischen Königin heute letztlich häufig nur noch auf eine nichtssagende Verkleidung reduziert ist (Keller, S. 131).
Den zweiten Teil des Bandes bildet der Katalog, der die in der Ausstellung gezeigten Exponate in qualitativ hervorragenden Hochglanzphotographien präsentiert. Die Reihenfolge orientiert sich an der Ausstellung und ist somit in die unterschiedlichen Abschnitte gegliedert: Prolog – I. Königin der Könige – Kleopatra in der Antike – II. Ein Bild von einer Frau – Die Renaissance erfindet Kleopatra neu – III. Barocco! Kleopatra und das Zeitalter der Inszenierung – IV. Von der femme orientale zur femme fatale – Kleopatra zwischen Historie und Anekdote – V. In der Rolle der Kleopatra: Theatergöttinnen und Filmdiven – VI. Aneignungen – Das Spiel mit Identitäten – VII. Eros und Thanathos: Die ‚schöne Leiche’ und das ewige Leben der Kleopatra. Somit nimmt auch der Katalogteil nochmals viele der in den Essays aufgezeigten Werke auf und setzt diese in Bezug zu weiteren Exponaten, darunter beispielsweise eine Vielzahl von Photographien früher Filme. Den jeweiligen Bildwerken werden zudem jeweils kurze zusammenfassende Einleitungen, verfasst von den beiden Herausgeberinnen, beigestellt.
Den Herausgebern ist ein stimmiger und wunderbar gestalteter Band gelungen, der einlädt sich dem Phänomen Kleopatra und damit letztlich in gewisser Weise auch der Geschichte der Ägyptenfaszination des Abendlandes zu nähern. Hierzu tragen die hervorragenden Abbildungen bei, die in ihrer Qualität und Auswahl kaum Wünsche offen lassen. Ein Muss für jeden, der sich für die ägyptische Königin, die Historienmalerei und Film- wie Photokunst interessiert.
28.11.2013 |
Robert Kuhn - Berlin |
Kleopatra. Die ewige Diva. Text: Anderson, J.; Ashton, Sally-Ann; Bronfen, Elisabeth; Eigler, Ulrich. Hrsg.: Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, Bonn. 336 S. 138 fb. Abb. 44 sw. 28 x 25 cm. Gb. Hirmer Verlag, MĂĽnchen 2013. EUR 45,00. CHF 57,90 |
ISBN 978-3-7774-2088-2
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