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Der Magdeburger Reiter |
Seit dem Jahr 2001 werden die Originale des „Magdeburger Reiters“ und seiner beiden Begleitfiguren, den Schildträgerinnen, im „Kaiser-Otto-Saal“ des Kulturhistorischen Museums Magdeburg präsentiert, während Bronze-Kopien von 1966, 2001 neu vergoldet, auf dem Alten Markt gegenüber dem Magdeburger Rathaus erstrahlen, in einem barocken Gehäuse von acht Säulen. An den vier Sockelpfeilern des Gehäuses standen ehemals vier lebensgroße Ritterfiguren (wohl als weltliche Kurfürsten), die heute im Depot verwahrt werden (eine von ihnen datiert in das 14. Jh., die anderen ins 19. Jh.).
2011 wurde das Untersuchungs- und Restaurierungs-Projekt „Magdeburger Reiter“ begonnen, nachdem zuvor andere Skulpturen der gleichen jüngeren Magdeburger Bildhauerwerkstatt untersucht und restauriert worden waren. Die Projekt-Ergebnisse wurden im November 2015 im Rahmen einer Tagung der Öffentlichkeit vorgestellt und sind nun im vorliegenden Buch greifbar.
Die Ergebnisse des Magdeburger Projekts betreffen zunächst Materialität, Konstruktion und Farbigkeit des Reiters, ferner die jahrhundertelange RestaurierungsgeschÃchte. Vergleiche mit den Skulpturen im Bamberger, Naumburger und Magdeburger Dom schließen sich an. Dabei sah man bisherige Annahmen bestätigt, dass der Magdeburger Reiter-Meister in Bamberg ausgebildet wurde und der Magdeburger Reiter zeitlich „um 1240“, zwischen die „jüngere“ Bamberger und die Naumburger Werkstatt einzuordnen sei (die Aufstellung des Bamberger Reiters datiert man in die Jahre 1227/30/37, die Naumburger Stifterfiguren hier einheitlich um „1250“, ohne andere Meinungen zu reflektieren).
Auch die Begleitfiguren des Magdeburger Reiters und die Aufstellung der Gruppe im öffentlichen Raum wurden erforscht, ebenso wenig fehlt ein Blick auf die Motivgeschichte des reitenden Herrschers - wobei die Reiterstatuette Karl des Großen (oder Karl des Kahlen) aus Metz hier erwähnt sein soll, aber auch die Rückblicke auf die antiken Reiterstandbilder. Reiterliche Aspekte, z. B. die nicht-antikisch parallel gestellten Beine des Pferdes, kommen ebenso in den Blick, der selbstverständlich bis ins uralte Reiterland China reicht, wie sodann die rechtsgeschichtliche Bedeutung der Magdeburger Gruppe vor dem Hintergrund der Herrschersymbolik.
Besonders hinweisen wollen wir auf die Beiträge von G. Köster, Claus-Peter Hasse und W. J. Diebold mit der ausführlichen Behandlung der Rezeptionsgeschichte des Reiters im Lauf seiner 700 Jahre. Dabei speziell auf die Inanspruchnahme durch die Nationalsozialisten, ein Thema, das im Gegensatz zur Uta von Naumburg und dem Bamberger Reiter bisher kaum untersucht wurde. 1940-1942 zeigte im besetzten Europa eine NS-Ausstellung „Deutsche Größe“, vielfach mit Abgüssen von den Originalen, so auch vom Magdeburger Reiter. In der bedeutenden Staufer-Ausstellung in Stuttgart 1977 fehlte der Magdeburger Reiter hingegen, obwohl ein Abguss aus der NS-Ausstellung verfügbar war ebenso wie Abgüsse von Bamberger Figuren, die man zeigte. Eine Erklärung scheint der Zeitgeist von 1977 zu bieten, als man sich wohl scheute, „Nationalhelden“ allzu massiv auftreten zu lassen. Das war anders im Jahr der Fußballweltmeisterschaft in Deutschland 2006, und so wurde der Magdeburger Reiter im Original in Magdeburg gezeigt, und zwar im Rahmen der Ausstellung „Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation“ (deren zweiter Teil im Deutschen Historischen Museum in Berlin). Selbstredend spielte der Reiter auch 2009 eine Rolle in der Ausstellung „Aufbruch in die Gotik“, die wie jene von 2006 den gesamteuropäischen Zusammenhang betonte -- die nationale Bedeutung aber kaum behandelte, was William J. Diebold in seinem Beitrag herausstreicht: Zeigt sich in seinem Beitrag das Bedürfnis nach einer neuen Geschichts-Politik bzw. Gedenkpolitik?
Die Herausgeberin des Bandes und Direktorin der Magdeburger Museen, Dr. Gabriele Köster, versäumt nicht den Blick auf offen gebliebene Fragen und damit in die Zukunft. So etwa die historisch korrekte Aufstellung (der Kopien) der Figurengruppe gegenüber dem Rathaus, des originalen Sockels des barocken Gehäuses und die (Wieder-)Einbeziehung der Figuren der vier mittelalterlichen weltlichen Kurfürsten.
Nicht versäumt werden darf schließlich ein Lob der schönen und großzügigen Ausstattung dieses Tagungsbandes, noch mehr aber der breite interdisziplinäre Rahmen des gesamten Projekts, wie er gottlob inzwischen nicht mehr selten ist. Das bedeutet auch, dass der Band eine Fülle von Informationen bereithält (und erschließt), die auszuschöpfen einige Zeit in Anspruch nehmen und zahlreichen Forschern Anregungen vermitteln wird.
08.11.2017 |
Hans-Curt Köster |
Der Magdeburger Reiter. Bestandsaufnahme - Restaurierung - Forschung. Schriftenreihe des Zentrums für Mittelalterausstellungen Magdeburg (3). Hrsg.: Köster, Gabriele. 2017. 400 S. 269 meist fb. Abb. 28 x 21 cm. EUR 49,95. CHF 57,40. |
ISBN 978-3-7954-3202-7
[Schnell & Steiner]
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