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Romantisches Kalkül – Caspar David Friedrichs "Kreuz an der Ostsee" |
Gegen Ende eines Forscherinnenlebens wächst nicht selten der (verständliche) Wunsch die eigenen hohen Ansprüche, die man selbst einmal in jungen Jahren an die eigene Zunft und Zukunft richtete, zu überprüfen. Im noch jungen, ambitionierten Berliner Schlaufen-Verlag liegt nun mit Werner Buschs kleiner, sehr feiner Publikation (unter dem schönen mehrdeutigen Titel Romantisches Kalkül) auch so etwas wie eine kleine Revue der eigenen Bildungsreise dieses bekannten Kunsthistorikers vor: das Büchlein handelt im Kern von der gelehrten Annäherung an die allegorische Kunstkonzeption C.D. Friedrichs – einer inneren Welt, in der sich romantische Wissenschaften, religiöse Weltsicht und höchst individuelle Kunstwahrnehmung in ihrem komplexen Ineinander auseinanderfalten lassen. Seit annähernd 40 Jahren hat sich Werner Busch (*1944) immer wieder neu mit der komplexen Kunstanschauung Friedrichs im Kontext der Wissenschaften um 1800 auseinandergesetzt, die nun von ihm erneut exemplarisch an Friedrichs "Kreuz an der Ostsee" minutiös anschaulich - kunst-, literartur- und wissenschaftshistorisch - expliziert wird. Anders als die früheren "Bedeutungsjäger", wie Busch etwas despektierlich aber zu recht andere Friedrich-ForscherInnen bezeichnet, liegt die große Leistung seiner Untersuchung darin, dass er die historische Situation der Kunsttheorie die Frühromantik mit dem extrem individuellen Kunstverständnis Friedrichs produktiv ineinander blendet und dabei sehr geschickt ex negativo aus der Bilderfahrung Friedrichs quasi einen Negativabdruck - wie vor einer Folie heutiger Kunsterfahrung - hervortreten lässt. Buschs überaus präzise, fast detektivisch operierende Interpretation von Friedrichs Malerei und Kunsttheorie kulminiert an einer Stelle in grundsätzlichen Überlegungen: "Jedes Bild ist ein neuer Anlauf über die Wiedergabe der Wirklichkeit etwas zu evozieren, das theologisch auf den Begriff gebracht werden mag, das aber im Leben nicht zu greifen ist, von dem aber eine Ahnung existiert, die das Bild immer wieder spürbar machen möchte." (S. 130) Friedichs Kunst, so Busch, hat keinen didaktischen Anspruch, will nicht belehren. Dass der Autor Friedrichs eigenes, hellsichtiges Credo" ... erkennet euch selbst und eure Zeit." zitiert, spürt man auf fast jeder dieser 140 Seiten. Busch, der wie nur wenige seiner FachkollegInnen die Kunst beherrscht, komplexe innere Zusammenhänge - etwa die Vorliebe der Frühromantik für mathematische Figuren wie Hyperbeln und Ellipsen oder aber auch Friedrichs fragile Beziehungen zu Goethes Kunstidealen im Dialog mit dem Werk Friedrichs nachzuvollziehen - hat mit diesem Büchlein ein kleines, scheinbar unscheinbares Bild wieder auferstehen lassen. Und dass seine Untersuchung dabei wie Friedrichs Bilder selbst auch andächtig und bis in kleinste Details studiert werden wollen, spricht in jeder Beziehung für die Leistung dieser anspruchsvollen, auf höchstem kunstwissenschaftlichem Niveau verfassten Studie.
02.06.2023 |
Michael Kröger |
Romantisches Kalkül. Caspar David Friedrichs ""Kreuz an der Ostsee"". Busch, Werner. Hrsg.: Haufe, Friedrich; Sauer, Vincent; Schliep, Gregor; Weber-Steinhaus, Friedrich. 2023. 162 S. Schlaufen Verlag. Berlin 2023. EUR 22,50. |
ISBN 978-3-98761-003-5
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