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Die „Reise ins Gelobte Land“ Hans Tuchers des Älteren (1479-1480).

Reiseschilderungen über ferne Länder fesseln den Leser durch die ungewöhnlichen Eindrücke aus der Fremde. Auch der wohlhabende Nürnberger Patrizier Hans Tucher schrieb gewissenhaft auf seiner Pilgerfahrt ins Heilige Land 1479-1480 allerlei Abenteuerliches nieder. Die Aufzeichnungen des Kaufmanns sollten zu einem der einflussreichsten spätmittelalterlichen Berichte einer Jerusalemwallfahrt werden. Seine Rezipienten erreichte der an der Epochengrenze vom Mittelalter zur Neuzeit verfasste Text durch die diversen handschriftlichen und gedruckten Ausgaben, die nun erstmals gesammelt und ausführlich kommentiert als Forschungsarbeit von Randall Herz in einer Edition vorliegen, welche im bibliophilen Ludwig Reichert Verlag erschienen ist. Mittels präziser Bestandsaufnahmen sind alle 27 überlieferten Handschriften sowie die sechs Druckausgaben von Tuchers Schilderung ausführlich mit ihren jeweiligen Eigenheiten verzeichnet und Weiteres im Zusammenhang der Wallfahrt von Tucher Geschriebenes vollständig aufgeführt. Das von Herz neu entdeckte endgültige Manuskript für die Drucklegung von Tuchers „Reise ins Gelobte Land“ ist komplett wiedergegeben und wurde mit zahlreichen Anmerkungen versehen. Tucher trug in sein Reisetagebuch die Route von Nürnberg über Venedig, das Mittelmeer nach Palästina und zurück in die Heimat ein - mit präzisen Angaben für das fromme Unterwegssein zu den Heiligen Stätten. Er erwähnt die lauernden Gefahren und gibt nützliche Tipps etwa über Arzneimittel gegen Seekrankheit, die auf den wochenlangen Überfahrten helfen sollten. Aufgrund der lebensnahen Reiseinstruktionen, die seinen Erlebnisbericht von anderen zeitgenössischen Niederschriften unterscheidet – auch bezüglich der Aufgeschlossenheit gegenüber der orientalischen Welt -, avancierte dieser in kürzester Zeit zum Bestseller, der genau aus diesem Grund von nachfolgenden Jerusalempilgern gekauft wurde, um ihn auf der beschwerlichen Wallfahrt als hilfreiches Handbuch mitzuführen. Herz deckt mit seiner vergleichenden Untersuchung der überlieferten Textvarianten deren Unterschiede auf und beleuchtet akribisch genau die redaktionelle Bearbeitung des Schriftstücks für den Druck durch den Nürnberger Ratsschreiber Jörg Spengler. Seine klar erläuterten Gegenüberstellungen bringen die vorgenommenen Korrekturen ans Licht und geben damit Einblick in die Redaktionsarbeit bei einer Buchproduktion des 15. Jahrhunderts.
Editionen wie die vorliegende sind immer lobenswerte Grundlagenarbeit und grundsätzlich verdienstvoll, weil sie Quellenmaterial zugänglich machen. Dem Bearbeiter gelang es, bisher nicht gekannte Archivalien aufzuspüren und damit unsere Kenntnis des Schrifttums um wichtige Stücke zu erweitern. Die Texte sind sorgfältig ediert und gründlich kommentiert. Doch leider wurde die Chance verpasst, Bedeutung und Motivation von Pilgerwesen und Jerusalemfahrt hinsichtlich ihrer religiösen und sozialen Bedeutung ausführlich zu thematisieren. Gerade anhand eines aussagekräftigen und lebhaften Berichts wie dem Tucherschen wäre das mehr als naheliegend gewesen. Schließlich wünscht und verspricht sich der Leser von der Aufarbeitung eines derart gewichtigen Dokuments solcherart kulturgeschichtliche Einbettung.
Annette Scherer
Herz, Randall: Die "Reise ins gelobte Land" Hans Tuchers des Älteren (1479-1480). Untersuchungen zur Überlieferung und kritische Edition eines spätmittelalterlichen Reiseberichts. 2002. 840 S., 36 Abb. 24 cm. (Wissenslit. im Mittelalter 38) Ln EUR[D] 63,-
ISBN 3-89500-254-2   [L, Reichert]
 
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