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Flügelaltäre |
Der für seine qualitätvollen, opulent ausgestatteten und wissenschaftlich ergiebigen Bildbände bekannte Hirmer -Verlag hat als Übersetzung aus dem Italienischen die bedeutendsten bemalten Polyptychen der Gotik und Renaissance vorgestellt. Um die Wertung vorweg zunehmen: Das Buch ist eine Augenweide. Darüber hinaus bieten seine Texte eine abgewogene, aber treffende Aussagen zur Gattung allgemein als auch zu den ausgewählten katalogartig erfaßten einzelnen Altären.
Polyptychen sind wandelbare Vieltafelbilder mit breitem ikonographischem Programm. Den entscheidenden Schritt zum Aufbau dieser Altarrretabelform unternahm bereits kurz nach 1300 Duccio mit dem Hochaltar des Domes von Siena, dem weitere Künstler sich anschlossen. Das italienische Polyptychon war in seinen Anfängen ein Ensemble aus fest miteinander verbundenen Tafeln. Als bedenkenswerte Hypothese wird von den Autorinnen die Entwicklung dieser Gestalt aus der Ikonostase als "für Bilder vorgesehenem Ort", als Weiterführung der spätantiken Diptychen, und dem Reliquiar mit Hinweis, daß manche Altäre wie in Marienstatt selbst einem monumentalen Reliquiar glichen, vorgebracht! Parallel zur Entwicklung des Retabels mit beweglichen Flügeln entwickelte sich das aus mehreren Schauseiten bestehende Polyptychon im vollen Wortsinn, erstmals in seiner Komplexität am Genter Altar greifbar.
Nur letztere sind in den Bildband aufgenommen. Entsprechend gliedert sich der Band in niederländische, provencalische und französische, deutsche von Stefan Lochner bis zum Isenheimer Altar, italienische von Piero della Francesca bis Luca Signorelli und spanische Werke. Jedes Polyptychon wird mit einer Gesamtaufnahme der möglichen Wandlungen, wo notwendig als Klapptafel, und zahlreichen, charakteristischen Detailaufnahmen vorgestellt. Der Katalogtext resümiert neben der Entstehungsgeschichte die Wege der Forschung und skizziert kurz die unterschiedlichen Positionen der Forschung, ohne daß die Autorinnen sich festlegten. Ausführlicher werden die ikonographischen Programme erläutert und der Stilcharakterisiert.
Die ebenfalls reich bebilderte Einleitung behandelt die Entstehungsgeschichte, die Rolle der Auftraggeber, die Bedeutung der Themenauswahl als Reaktion auf Zeitgeschehnisse ebenso wie ihre durch die Funktion in der Liturgie bestimmte Gestalt, aber auch historische Termini. Unter Struktur, Ausführung, Technik wird der Unterschied zwischen Polyptychon nördlich und südlich der Alpen herausgearbeitet zum Beispiel anhand der Rahmung. Ein Namensregister und ein ausführliches Literaturverzeichnis schließen den auch durch seinen strengen systematischen Aufbau klug konzipierten Band ab. Nur an einigen wenigen Stellen hätte man von den Übersetzern sich gewünscht, die dort vorhandenen, lateinisch konstruierten Satzgebilde ciceroanischen Ausmaßes der italienischen Vorlage im Deutschen zu unterteilen und damit übersichtlicher zu machen. Dies schmälert aber nicht das Verdienst und auch das Vergnügen beim Betrachten und bei der Lektüre.
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Clemens Jöckle |
Limentari Virdis, Catarina /Pietrogiovanna, Mari: Flügelaltäre bemalte Polyptychen. Klapp- und Flügelaltäre der Gothik und Renaissance. 419 S., 330 Abb., dav. 315 fb. 32 cm. Gb. Hirmer, München 2002. EUR 132,- |
ISBN 3-7774-9520-4
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