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Raussmüller und Ryman |
Der Ausstellungsmacher und sein Künstler.
Unter Eingeweihten ist es ein Allgemeinplatz, dass Künstler und Ausstellungsmacher stets ein tiefes Verständnis füreinander aufzubringen haben. Doch dürfte dies für manchen Laien nicht immer erkennbar sein, besonders dann nicht, wenn es sich um Kunstwerke handelt, die vornehmlich oder scheinbar nur die Farbe Weiß präsentieren. Welche intensive Verbindung Ausstellung und Kunstwerk miteinander eingehen, ist seit 25 Jahren in den „Hallen für Neue Kunst“ in Schaffhausen zu erfahren. Dort kann man, Dank des Künstlers, Sammlers und Schöpfers von Kunstorten, Urs Raussmüller das Zusammenwirken von Raum, Licht und den Gemälden von Robert Ryman studieren und zugleich die eigene Wahrnehmung schulen.
Ryman wurde 1930 in Nashville, Tennessee geboren und lebt in New York. Er gehört zu den Wegbereitern der Neuen Kunst und hat eine fundamentale Erneuerung der traditionellen Gattung Malerei herbeigeführt. Ryman verzichtet auf alles, was von den realen Bestandteilen eines Gemäldes ablenken kann: illusionistische Darstellung z.B. oder konventionelle Form- und Farbkomposition. Um seine Gemälde durch die Art des Farbauftrags und die Wahl der Trägermaterialien zu hoch sensiblen Reflexionsflächen für das einfallende Licht zu gestalten, konzentriert sich Ryman auf das quadratische Bildformat und die Verwendung von weißen Farben. Er stimmt seine Gemälde wie Instrumente, die im Zusammenwirken mit Licht und Raum einen eigenen Klang, eine subtile Schönheit und zeitlose Ausstrahlung entfalten. Robert Ryman ist dafür international häufig geehrt worden, und seine Gemälde sind in allen großen Museen vertreten.
Rymans Arbeitsweise ist pragmatisch und intuitiv zugleich. Die weißen Flächen absorbieren und reflektieren das Licht und lassen auf diese Weise die Fülle der Eigenschaften, von der Nuance des Farbtons, des Farbmaterials bis zum feinsten Pinselstrich, sichtbar werden. Der Begriff der Ausstrahlung wird bei Ryman zum physischen Prozess. Mit der Entscheidung für ein bestimmtes Material wie: Bildformat, Träger, Pinsel und sogar durch die Wahl der Schrauben schafft Ryman stets neue Voraussetzungen, die sein weiteres Vorgehen bestimmen. Mit Experimentiergeist und Neugierde erprobt er in seinem Atelier-Labor verschiedenste Materialien, deren Ergebnisse ihn selbst überraschen und ihm auf diese Weise immer wieder neue Impulse für seine Arbeiten liefern.
Diese intuitive Vorgehensweise gilt auch für Urs Raussmüller. Die Auswahl der Werke und die Einrichtung vor Ort richten sich nach der Ausstellungssituation und der Reaktion der Werke auf den Raum. Raussmüller entscheidet die Aufhängung nicht nach Grundriss oder Höhe eines Raumes. Er vertraut seinen Sinnen, die ihm eingeben: hier ist das Bild „richtig". Diese „Arbeit“ ist für die Wirkung der Werke Rymans von zentraler Bedeutung. Erst auf diese Weise lassen sich die Werke öffnen und die Verbindung zwischen Werk, Raum und Betrachter herstellen.
Das vorliegende Buch „Urs Raussmüller: Ryman Paintings and Ryman Exhibitions“ gibt einen Einblick in das Verhältnis von Rymans Gemälden zum Raum. Ein Gespräch mit Urs Raussmüller lässt den Leser an seiner Erfahrung und intensiven Beschäftigung mit Rymans Gemälden teilhaben und zeugt von einer speziellen Freundschaft und Zusammenarbeit der beiden Künstler. Eine fundierte, kenntnisreiche Einleitung von Christel Sauer führt in die Publikation ein. Die Texte werden ergänzt durch zahlreiche farbige Abbildungen von verschiedenen Ryman-Einrichtungen, biografische und bibliografische Angaben zu Ryman sowie einem Verzeichnis der wichtigsten Ryman-Ausstellungen und –Einrichtungen von Urs Raussmüller.
Wer bereit ist, sich dieser Wahrnehmung zu stellen, wird die Qualität und Aktualität sowohl des bildenden Künstlers Robert Ryman als auch des Ausstellungskünstlers Urs Raussmüller zu schätzen wissen und eine ganz neue und sensiblere Wahrnehmung gegenüber der scheinbar ach, so normalen Realität mitnehmen können.
18.6.2009 |
Gabriele Klempert |
Urs Raussmüller: Ryman Paintings and Ryman Exhibitions, Raussmüller Collection. Hrsg. Christel Sauer. Dtsch/Engl. 72 S., z. T. ganzs. fb. Abb. partly full-page ill., 21 x 27,7 cm, Pb, Raussmüller Collection, Basel 2006. EUR 21,00 CHF 34,00 |
ISBN 978-3-905777-00-0
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