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Bilder der Philosophie |
In den letzten Jahren ist die Bedeutung des Bildlichen in der Philosophie, aber auch in anderen Wissenschaften, zunehmend in den Fokus der Aufmerksamkeit gerĂŒckt. Auch die 2009 bei der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft erschienene Publikation âBilder der Philosophieâ des emeritierten Professors fĂŒr Philosophie von der UniversitĂ€t StraĂburg, Lucien Braun (*1924), gehört in diesen Kontext. Braun bezieht sich in seiner Untersuchung auf zwei Aspekte des Bildlichen, auf die Bildrede (Metapher) und auf den Stellenwert von Bildern in der Philosophie. Damit sich dem Leser Brauns Thema und Vorgehensweise erschlieĂt, soll im folgenden Exkurs von der Metapher die Rede sein.
Die Bildrede in der Philosophie
Die Bildrede, die Metapher, gilt seit der Antike als Kernbereich poetischen literarischen Stils, findet aber auch in der Alltagsrede und in Philosophie und Wissenschaften Verwendung. Seit einigen Jahren ist in den akademischen Disziplinen ein verstĂ€rktes Interesse an der Erforschung der Metapher festzustellen. So legte Michael Stolleis, Professor fĂŒr Ăffentliches Recht und Neuere Rechtsgeschichte an der UniversitĂ€t Frankfurt / Main 2007 eine Untersuchung zur Geschichte der Metapher âDas Auge des Gesetzesâ (C.H.Beck Verlag) vor. Im gleichen Jahr erschienen sowohl Anselm Haverkamps Arbeit âMetapher â Die Ăsthetik in der Rhetorik. Bilanz eines exemplarischen Begriffsâ (Wilhelm Fink Verlag) als auch die Gemeinschaftsarbeit von Helge Skril und Monika Schwarz-Friesel âMetapherâ (Carl Winter Verlag). Die Liste lieĂe sich mit der 2006 erschienenen Untersuchung von Nicolas Berg, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Simon-Dubnow-Institut fĂŒr JĂŒdische Geschichte und Kultur an der UniversitĂ€t Leipzig fortsetzen, der zu âLuftmenschen - Zur Geschichte einer Metapherâ (Vandenhoeck & Ruprecht Verlag) publizierte. Zwei Jahre spĂ€ter, 2008, erschien im Rombach Verlag eine Untersuchung der Biologin und Kulturwissenschaftlerin Eva Johach zur medizinischen und politischen Metaphorik von âKrebszelle und Zellenstaatâ. Ralf Konersmann (*1955), der Philosophie an der UniversitĂ€t Kiel lehrt, blieb es vorbehalten ein âWörterbuch der philosophischen Metaphernâ herauszugeben, das 2007 in der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft erschien. Einen Mitstreiter in seiner Zunft hat Konersmann in Braun, der die Metapher als der Philosophie âbeste Formâ bezeichnet. Braun steht damit fĂŒr eine philosophische Position, die das philosophische Schreiben als literarisches Schreiben qualifiziert: âDie Metapher erscheint uns vielmehr als die Bedingung sowohl der AusĂŒbung als auch der Existenz der Philosophie selbst; als ihre konstitutive Verfassungâ. Die Metapher ist fĂŒr Braun pragmatisch funktional, da sie, als âkluge Ăbertragungâ, fĂŒr âunsere Reflexionenâ âeinen Fadenâ âfĂŒr dasâ bereitstelle, âwas sich einer BeweisfĂŒhrung oder Festlegungâ entziehe. Eine kleine Kostprobe des Gebrauchs von Metaphern in der Philosophie gibt Braun selbst und bedient sich in seinen AusfĂŒhrungen eines gemischten Stils, in dem man hĂ€ufig Klarheit hinsichtlich des verhandelten Sachverhalts vermisst. Braun erreicht an keiner Stelle die QualitĂ€t philosophischen Schreibens, wie sie Walter Benjamin (1892-1940) in seinen besten StĂŒcken, so in den Denkbildern, pflegte, da es ihm dort gelang, unter Verwendung literarischer Stilmittel, einen Sachverhalt prĂ€zise darzustellen.
Philosophie und Bild
Als Gegenstand und Kategorie wird ĂŒber das Bild in der Philosophie reflektiert. Das Mittel der Philosophie, der Begriff, geriet in letzter Zeit in die Kritik einiger Philosophen. An die Mitglieder der eigenen Zunft adressiert, monierten sie deren Fixierung auf den Begriff. Diese Gruppe sieht sich als Traditionsbrecher. So kritisiert Steffen Siegel (*1976) in seiner 2009 erschienenen Dissertation âTabula â Figuren der Ordnung um 1600â die Zunft, die Bildern eine fĂŒr die Philosophie epistemologisch relevante Beweiskraftâ abspreche. WĂ€hrend fĂŒr Siegel Bilder aller Art und von wem auch immer produziert, von Interesse sind, in denen Wissen, wie in Diagrammen oder Schautafeln, gespeichert ist, positionieren sich Konersmann / Braun anders. Ihnen geht um Bilder von KĂŒnstlern, die Philosophisches thematisieren. Ziel ist es, ĂŒber den Umweg einer Fremdbegegnung, mit Kunstwerken, sich selbst, die eigene Profession, âbesser zu verstehenâ. Gleichzeitig ist die Braunsche Untersuchung zu diesen Kunstwerken, da er ĂŒber Kunstwerke spricht, auch ein Beispiel fĂŒr den philosophischen Umgang mit Bildern.
Eine umfassende Thematisierung philosophischen Bildgebrauchs steht zwar noch aus, den Auftakt dazu strebt ein Projekt an, das Braun und Konersmann âphilosophische Ikonographieâ nennen. Brauns Abhandlung erschien in einer lĂ€ngeren Version als zweibĂ€ndige Ausgabe (Bd.1 / 1994 // Bd. 2 / 1996) unter dem Titel âIconographie et Philosophieâ in Frankreich. FĂŒr den deutschsprachigen Raum kĂŒrzte der Herausgeber, Konersmann, dieses Werk und schnitt es auf einen Band zurĂŒck, ohne zu erlĂ€utern, nach welchen Kriterien gekĂŒrzt wurde. Auf die ausfĂŒhrliche Einleitung von Konersmann folgen drei von Braun verfasste Teile. Im ersten, betitelt mit âDas ikonographische Feldâ, wiederholt er, wenngleich etwas weniger systematisch strukturiert als Konersmann, in groben ZĂŒgen dessen AusfĂŒhrungen. Der zweite Teil stellt einen Ausschnitt aus dem avisierten Projekt vor und prĂ€sentiert Kunstwerke, die sich auf Philosophisches beziehen. Dieser Teil wurde mit âPhilosophische Darstellungsformenâ betitelt. Die Dimensionen dieses Projekts verhandelt Braun im dritten Teil unter dem Titel âElemente eines Projektsâ.
Visualisierung von Philosophischem
Philosophie, so Konersmann, im Vorwort, habe eine âAuĂenseiteâ. Damit sind Beziehungen der Philosophie auĂerhalb ihres Systems gemeint. Zu dieser Welt auĂerhalb der Philosophie gehören Kunstwerke mit philosophischem Bezug. Diese stehen im Zentrum der Braunschen Untersuchung. Er spricht von Bildern, die mit der Philosophie âeine klar nachweisbare Beziehungâ unterhalten. Weder wird erlĂ€utert, woran diese ânachweisbare Beziehungâ festgemacht wird, noch was unter Philosophie oder Bild zu verstehen ist. Braun sagt wenig, zur Sprache kommt nur, dass man sich einstweilen auf die westliche Philosophie beschrĂ€nke. Konersmann verwendet eine Formulierung, die auch nichts festlegt und spricht vom âimmer nur provisorisch bestimmbaren "Konnotationssignifikatâ des Philosophischen. Da Bilder bzw. Kunstwerke der sprachlichen ErklĂ€rung bedĂŒrfen bzw. da in dem vorgelegten Werk von Braun ĂŒber Bilder gesprochen wird, folgen lĂ€ngere AusfĂŒhrungen von Konersmann und Braun, die der Ăbersetzbarkeit von Kunst in Text gelten. Am Beispiel einer Beschreibung eines Kunstwerks durch Denis Diderot (1713-1784) positioniert Konersmann, Ă€hnlich wie Braun, das anvisierte Forschungsfeld aus kritischen Positionen heraus. Beide sind beschreibungskritisch, begriffskritisch und kritisch gegenĂŒber den Methoden der Kunst- und Bildwissenschaft eingestellt. 1) Beschreibungskritisch: Sprache und Text könnten die Aspekte, die ein Kunstwerk zum Kunstwerk machen, nicht erfassen. BegrĂŒndet wird dies mit der IkonozitĂ€t der Bilder, die ein eigenstĂ€ndiges System mit eigener âikonischer Logikâ bilden wĂŒrden und sich deshalb einer diskursiven Erfassung entzögen. Mit diesen AusfĂŒhrungen positionieren sich Braun / Konersmann in dreierlei Hinsicht. Die erste Eingrenzung betrifft die Kunstwerke, die untersucht werden sollen. Als autonome âBildfindungenâ bzw. als von kĂŒnstlerischer Imagination getragene, fasst Konersmann jene kĂŒnstlerischen Darstellungen, die es zu untersuchen gelte. Er setzt sich damit von reinen Illustrationen ab, die Philosophisches lediglich âgefĂ€llig auspinselnâ. Die Reichhaltigkeit der Spielformen bildender Kunst, die sich auf philosophische Texte stĂŒtzt und deren Themen ins Bild setzt, wird mit dieser Positionierung, nicht nur reduziert, sondern Konersmann unterbietet damit auch literatur- und kunstwissenschaftliche Forschungen zu diesem Thema. So zeigte z.B. Lothar Lang (*1928) in seiner Abhandlung âBuchkunst und Kunstgeschichte im 20. Jahrhundertâ (Verlag Anton Hiersemann), dass die Grenze von Illustration und autonomen Werk in vielen FĂ€llen nicht eindeutig zu bestimmen ist. Lang prĂ€sentierte eine Reihe von Werken, so den Apokalypse-Zyklus von Max Beckmann (1884-1950), dessen GemĂ€lde er als eigenstĂ€ndige Bildschöpfungen, die auch ikonographisch bedeutsam seien, fasst.
2) Begriffskritisch: Aus dieser Perspektive plĂ€diert das Duo im Hinblick auf ihre Vorgehensweise dafĂŒr, die vorgestellten Bilder keinem Bildbegriff zu unterwerfen, da die Bilder sonst âmarginalisiertâ wĂŒrden. Es komme, so beide Autoren weiter, vor allem darauf an, diese Bilder anzusehen und es wird betont, dass diese Bilder dem Denken in nichts entgegenkommen. SchlieĂlich setzt sich Braun noch (3) mit der akademisch betriebenen Kunstwissenschaft auseinander, die sich in Beschreibungen einzelner Elemente des Kunstwerks âaufhalteâ, aber nicht in der Lage sei die âTiefeâ und das âGeheimnisâ von Kunstwerken zu erfassen. (S.90) Theoretisch unterfĂŒttert Braun seine AusfĂŒhrungen mit Hinweis auf AusfĂŒhrungen von Immanuel Kant (1724-1804), den er als GewĂ€hrsmann aufruft, habe dieser doch ausgefĂŒhrt, dass eine Ă€sthetische Idee, âdurch keinen Diskurs erschöpfendâ behandelt werden könne. Ganz ausschlieĂen möchte Braun die Möglichkeit, diskursiv ĂŒber Bilder zu sprechen, nicht und so kommt bei ihm der âalles verĂ€ndernde qualitative Sprungâ ins Spiel. In dieser Weise schlĂ€ngelt sich das Duo durch die AusfĂŒhrungen und kommt wiederholt auf diesen Aspekt zu sprechen. So ist davon erneut im Abschnitt âWissen und Sehenâ die Rede. Um das Philosophische auf Bildwerken zu erkennen, so Braun, sei Wissen notwendig, dieses wiederum erwerbe man durch Sehen und durch LektĂŒre von Fachliteratur und schon ist der Begriff wieder im Spiel, ohne das Braun / Konersmann diesen erkenntnistheoretischen Sachverhalt explizit machen. Daher entziehen sich beide einer Debatte, wie eine Philosophie, die sich mit philosophischen Bildern befasst, ohne Begriffe zu verwenden, möglich sein soll. Der Hinweis von Braun, angestrebt sei eine âandereâ Philosophie ist nicht mehr als ein Ausweichmanöver, da das Duo vorderhand auf Begriffe angewiesen bleibt, diese aber nur teilweise, wie bei Brauns AusfĂŒhrungen zur Allegorie oder Emblematik, verwendet werden. Konzeptuell bleibt das empirische Material, die heranzuziehenden Kunstwerke, gröĂtenteils undefiniert und das Konzept wurde lediglich skizziert. Entgegen der AnkĂŒndigung im dritten Teil, Elemente des Projekts, vorzustellen, befindet sich dieses Projekt im Entwurfsstadium, dem wesentliche Pfeiler noch fehlen.
In Brauns Texten werden vage Formulierungen mit philosophischen Begriffen garniert und ĂŒber philosophische Bilder erfĂ€hrt der Leser, im VerhĂ€ltnis zu gewohnten ErlĂ€uterungen in Ausstellungskatalogen, wenig zu den Kunstwerken selbst. Da Braun einen groĂen Zeitraum behandelt, in dem es zu signifikanten UmbrĂŒchen, etwa in der Stellung des Philosophen bzw. zum VerhĂ€ltnis von Theologie und Philosophie, kam, wĂ€re eine stĂ€rke Kontextualisierung unbedingt notwendig gewesen, wenn sich das Buch auch an ein interessiertes Publikum auĂerhalb der eigenen Profession wendet. So untersuchte der Historiker Jacques Le Goff (*1924) in âDie Intellektuellen im Mittelalterâ (Verlag Klett-Cotta) Verschiebungen im GefĂŒge von Theologie und Philosophie. Dergleichen könnte im Hinblick auf die behandelten Kunstwerke gesagt werden, da sich die Funktionen mittelalterlicher Kunst wesentlich von denen der Neuzeit unterscheiden. Diese HintergrĂŒnde werden oft nur angedeutet oder die AusfĂŒhrungen dazu sind unzureichend.
Beleuchtung: Kunstwerke
Da eine Inventarisierung aller philosophischen Bilder angestrebt wird, ist der raumzeitliche Geltungsbereich ebenso groĂ wie die mediale Vielfalt. Braun spricht nebulös von einer âoffenen TotalitĂ€tâ. Da der raumzeitliche Geltungsbereich nicht eingeschrĂ€nkt wurde, darf davon ausgegangen werden, dass er bis zur Gegenwart reichen soll. Fast schon als neue philosophische Disziplin reklamiert Konersmann dieses neue Forschungsgebiet und weist es als gegenĂŒber âden ErkenntnisansprĂŒchen einer >Bildwissenschaft< eigenstĂ€ndiges und vielversprechendesâ auf dem weiten âFeld der Ideengeschichte und der Geschichte des Wissensâ aus. Letztlich soll das Gesamtvorhaben in nicht weniger, als einer Revolutionierung der Philosophie, in eine âandereâ Philosophie, mĂŒnden. Hinter diesen Aussichten, bleibt allerdings die Detailarbeit, auch hinsichtlich der heranzuziehenden Kunstwerke, zurĂŒck. Einerseits erfĂ€hrt der Leser Details zum PortrĂ€t oder zur Allegorie, konzeptuell GrundsĂ€tzliches wird dagegen nur am Rande angesprochen. So bleibt völlig offen, wie Braun sich seine Passage durch die Kunstgeschichte vorstellt und so wird der Leser unmittelbar mit Kunstwerken aus unterschiedlichen Epochen im zweiten Teil der Abhandlung konfrontiert. In diesem durchschreitet Braun die europĂ€ische Kunstgeschichte seit der Antike bis fast zur Gegenwart, da z.B. eine PortrĂ€tphotographie des Philosophen Adorno (1903-1969) abgebildet ist. Braun legt eine eindrucksvolle Sammlung von Kunstwerken, Tafel- und Wandmalereien, Skulpturen, MĂŒnzen, Tapisserien, Glas- und Buchmalerei, Mosaiken, Zeichnungen, Elfenbeinschnitzereien und Architektur vor und gruppiert sie thematisch. Gezeigt werden ein groĂes thematisches Spektrum und eine groĂe Variationsbreite an Darstellungsformen. Veranschaulicht durch s/w Abbildungen, lĂ€dt das Buch zu Begegnungen mit philosophischem Personal und der Disziplin Philosophie ebenso ein, wie Braun Bildwerke, die pĂ€dagogischen Zwecken dienen, prĂ€sentiert. Mit einer Ausnahme, Abbildungen von Diagrammen, handelt es sich um mimetische Kunstwerke mit hoher IkonozitĂ€t. Insofern ist dieser Teil in sich konsistent und interessant, wenn auch hĂ€ufig nur marginal kontextualisiert.
Kunstgeschichtliche und philosophische Betrachtung eines GemÀldes
Am Beispiel von Brauns Betrachtung des GemĂ€ldes von Raffael, âDie Schule von Athenâ (1510/11), eines Bildes, das Philosophen, die unterschiedlichen Zeiten entstammen, in einer auĂerzeitlichen Versammlung imaginĂ€r zusammenfĂŒhrt, lĂ€Ăt sich demonstrieren, wie sich seine Herangehensweise von einer kunstwissenschaftlichen unterscheidet. Raffaels GemĂ€lde reprĂ€sentiere, so Braun, âdas Zentrum der philosophischen Kulturâ. Zu diesem Zusammenhang ergeht sich Braun in lĂ€ngeren AusfĂŒhrungen zur Bedeutung dieses Bildes fĂŒr die Philosophie, ohne wesentlich neue Aspekte anzubringen. Der Kunstwissenschaft wiederum gilt dieses Bild, so der Kunsthistoriker Werner Hofmann (*1928), als âein Programmbild der neuzeitlichen Malereiâ. Hofmann interessiert sich, neben anderen Aspekten, dafĂŒr, dass Raffael, am Rand des GemĂ€ldes, die, im System der artes liberales, ausgeschlossenen bildenden KĂŒnste, in seiner Person, ins Bild schmuggelt. Es geht dabei, wie Hofmann nicht mĂŒde wird zu betonen, darum, dass sich KĂŒnstler nicht mit dem Rang zufrieden gaben, dass sie zu den artes mechanicae, den handwerklichen KĂŒnsten, gezĂ€hlt worden seien, deren Gewerbe durch praktische Ăbung erlernt worden sei. Einige KĂŒnstler erhoben, beginnend ĂŒbrigens im Mittelalter, den Anspruch, ebenfalls als Geistesarbeiter angesehen zu werden. Sie wollten als Erfinder, Bildfinder, die sich ihrer Imaginationskraft bedienten, angesehen werden. Die Kunstwissenschaft hat, indem sie die auf dem GemĂ€lde versammelten Personen, analysierte, diesen Aspekt herausgearbeitet, der auch fĂŒr Braun / Konersmann von Interesse sein dĂŒrfte, betonen doch beide die Imaginationskraft von KĂŒnstlern, stehen jedoch kunstwissenschaftlichen Methoden skeptisch gegenĂŒber.
Ausleuchtung: Kunstwerke
Bei der âSchule von Athenâ und allen im Buch gezeigten Kunstwerken handelt es sich um mimetische Kunstwerke in klassischen Bildformaten und Medien. Wie sich Braun die Behandlung von modernen Kunstwerken a-mimetischen Charakters oder von Kunstwerken vorstellt, die herkömmliche Bildformate sprengen, wird im dritten Teil nicht angesprochen. Ein weiterer Punkt wĂ€re, wie verhĂ€lt es sich mit Kunstwerken, in denen sich das Philosophische lediglich formal im Kunstwerk geltend macht. Auch in Frage kommen Kunstwerke, in denen das Philosophische nur indirekt prĂ€sent ist â als bildauslösendes Moment, ohne ein philosophisches Sujet darzustellen. Eine Reihe von Kunstwerken mit philosophischem Bezug, so die abstrakten GemĂ€lde von Julius Bissier (1893-1965), Wassily Kandinsky (1866-1944) oder Kasimir Malewitsch 1878-1935) passen ebensowenig in den von Braun vorgelegten Rahmen wie neue Kunstformen bzw. Bildstrategien, wie sich insbesondere im Bereich der Gegenwartskunst, z.B. in der Konzeptkunst, in konkreter Kunst oder performativen Formen und Installationen, zeigen. So bezieht sich die im ZKM in Karlsruhe zu besichtigende Installation der KĂŒnstler Tjebbe van Tijen (*1944) und Milos Vojtechowski (*1955), âOrbis Pictus Revisedâ genannt, auf das âOrbis sensualium pictusâ des Philosophen Johann Amos Comenius von 1658. Ein weiteres Beispiel dazu kommt aus Stuttgart. Dem gröĂten Sohn der Stadt, dem Philosophen Friedrich Wilhelm Hegel (1770-1831), setzte 1993 der KĂŒnstler Joseph Kosuth (*1945) mit der, auf dem Dach des dortigen Hauptbahnhofs montierten, aus Neonröhren bestehenden Installation mit dem Hegel-Zitat âdaĂ diese Furcht zu irren schon der Irrtum selbst istâ, ein Denkmal. Auch der amerikanische KĂŒnstler Dick Higgins (*1938) sprengt die Grenzen herkömmlicher Bildformen und schuf ein Leporello mit dem Titel âLabyrinthâ, das den Intext âDaedalus my headalus cratylus my patylusâ trĂ€gt und das auf DĂ€dalus, als den Erfinder des Labyrinths und auf den Dialog âKratylosâ von Platon (428/427 v.Chr.-348/347) anspielt. Brauns Fokussierung auf IkonozitĂ€t lĂ€uft in diesen FĂ€llen ins Leere. Auch seine lapidare Formulierung, es sei immer möglich, dass neue, âbis dahin unbekannte Bilderâ ausfindig gemacht wĂŒrden, ist einer seiner typischen, alles im Unbestimmten belassenden AusfĂŒhrungen.
Als ein Element des Projekts stellt Braun im dritten Teil noch die Beziehung von Literatur und Kunst vor. An einigen Beispielen zeigt er, wie sich KĂŒnstler durch literarische Texte, die selbst von philosophischer Bildsymbolik getragen sind, zu philosophischen Bildwerken inspirieren lieĂen. Die von Braun vorgenommene Klassifizierung der Textsorten in ânarrativâ und âliterarisch imaginativâ unterbietet literaturwissenschaftliche Standards zum Textbegriff und zu Texttypen. Auch bei der Auswahl der literarischen Texte verzichtet Braun weitgehend darauf, das Beziehungsgeflecht von Literatur und Philosophie, aufzuzeigen.
IntermedialitÀt / InterikonozitÀt
Die KomplexitĂ€t des Vorhabens einer philosophischen Ikonographie ist hoch, da das Gesamtprojekt von mehreren Beziehungsgeflechten durchzogen ist. Braun nennt dies eine medienĂŒbergreifende Kommunikation der Bilder ĂŒber RĂ€ume und Zeiten hinweg. Unter den Stichwörtern IntermedialitĂ€t und InterikonozitĂ€t wird dieses Beziehungsgeflecht in kunst-, bild-, literatur- und medienwissenschaftlichen Diskursen abgehandelt. Ohne systematische Hinweise, z.B. zu verschiedenen IntermedialitĂ€tsstufen, bleibt es bei punktuellen Vertiefungen wie bei der Emblematik, einem Bild-Text-Hybrid. Den Aspekt einer Bilderkommunikation verdeutlicht Braun, ohne dass der Begriff InterikonozitĂ€t fĂ€llt, am Beispiel von Raffaels GemĂ€lde âSchule von Athenâ (1509). Gelungen ist diese Passage, zeigt Braun sehr deutlich, wie sich eine Reihe von KĂŒnstlern auf dieses GemĂ€lde bezogen und fĂŒhrt z.B. Giorgio Ghisis Nachbildung der âSchule von Athenâ (1550) an. Joshua Reynoldsâ Parodie der âSchule von Athenâ von (1751) ist jedoch ebensowenig dabei wie Cy Twomblys abstraktes GemĂ€lde âSchool of Athensâ (1961).
Sichtweisen
Obwohl Konersmann im Vorwort einen Fragenkatalog zum neuen Forschungsfeld anhĂ€ngte, Braun einige Aspekte im dritten Teil seiner AusfĂŒhrungen aufgriff, bleiben viele Aspekte offen und falls etwas gesagt wird, dann bleibt es im Vagen stehen. Ob dies beabsichtigt wurde oder nicht, soll nicht entschieden werden, da sich im Braunschen Textuniversum vor allem Andeutungen tummeln. Auch hat Konersmann mitnichten im Fragekatalog die Beziehungsgeflechte Kunst und Philosophie, Literatur und Philosophie und Literatur und Kunst systematisiert, ganz zu schweigen von den Schnittmengen, die sie sich allein im Literarischen, bestehend aus kĂŒnstlerischer Sprachverwendung, FiktionalitĂ€t und Fixierung, ergeben. Der Abschied vom Begrifflichen, hier darf man dem Philosophen JĂŒrgen Habermas (* 1929) zustimmen, gereicht dieser Untersuchung, nicht zum Vorteil. Auch Peter Weibel (*1944), ein Philosophen-KĂŒnstler, merkte in seinem Werk âLogo-Kunst â eine kĂŒnftige Methode der Bildbeschreibungâ an, dass das im Zuge der Postmoderne en vogue gewordene Bilderdenken, vom begrifflich-sprachlichen Denken nicht unabhĂ€ngig gemacht werden kann. Zwar bietet der Band von Braun eine FĂŒlle von interessanten Beispielen, konzeptuell kann das Werk jedoch nicht ĂŒberzeugen. Das Anliegen von Konersmann / Braun, die Philosophie in ihren kulturellen BezĂŒgen zu erfassen und ĂŒber eine Fremdbegegnung, durch Kunstwerke, die eigene Disziplin besser kennenzulernen, mag ehrenwert sein, beide kommen jedoch sowohl an einer begrifflichen Fassung ihres Anliegens und der Kenntnisnahme literatur- und kunstwissenschaftlicher Forschungsergebnisse nicht vorbei. Diese Ignoranz fĂŒhrt im vorliegenden Buch, bereits in der EinfĂŒhrung bei Konersmann, zu einer fragwĂŒrdigen Grenzziehung, hier das autonome Kunstwerk, dort die rein illustrativen KĂŒnste. Entweder ist beabsichtigt, alle Werke mit philosophischem Gehalt zu erfassen, wie es Braun ankĂŒndigt, dann können illustrative Kunstwerke nicht ausgeschlossen werden oder man beabsichtigt diese ausschlieĂen, dann kann nicht von der Erfassung aller Kunstwerke gesprochen werden. Desweiteren beziehen sich beide Philosophen auf Kunstwerke, die zur Hochkultur gezĂ€hlt werden, sprechen diesen Umstand jedoch keinesfalls an. So verwundert es denn nicht, dass das Emblem behandelt wird, eine andere Form eines Text-Bild-Hybrids, dem Comic, dagegen nicht, obwohl es in dieser Form intelligente Auseinandersetzungen mit der Philosophie gibt. Zu denken ist dabei z.B. an Martin tom Diecks (*1963) Comic zur Philosophie von Gilles Deleuze (1925-1995). Auch das Piktogramm findet sich nicht in den âElementen des Projektsâ, gleichwohl es auch hier, wie die âFacts of Lifeâ des KĂŒnstlers Pippo Lionni (*1954), interessante Beispiele mit philosophischem Bezug gibt. Die Wissenschaft stand auch nicht nach. So widmete sich 2008 Joachim Schummer (*1963) vom Institut fĂŒr Philosophie der TU Darmstadt in der zwanzigsten Nummer der Zeitschrift âGegenworte â Hefte fĂŒr den Disput ĂŒber Wissenâ (S. 67â69) dem Piktogramm. Sein Aufsatz trĂ€gt den Titel âDas Bild der Wissenschaft in Piktogrammenâ.
Dass einem Werk, das die Bildbetrachtung so sehr ins Zentrum ihrer Ăberlegungen stellt, verlagsseitig qualitativ schlechte Abbildungen beigegeben wurden, ist fĂŒr die Autoren, aber auch fĂŒr den Leser miĂlich. So sind auf den Abbildungen von Glasmalereien, die âSzenen aus dem Leben des Augustinusâ (vierzehntes Jahrhundert) darstellen, kaum noch Szenen erkennbar. Auch die Abbildung des GemĂ€ldes von Frans Hals, âRenĂ© Descartesâ (1640) im PortrĂ€t vorstellend, ist mangelhaft, verschwimmt der schwarze Bildhintergrund mit der dargestellten Figur. Mit anderen Worten, in diesem Band wurden die Bilder teilweise tatsĂ€chlich âmarginalisiertâ. Den AusfĂŒhrungen Brauns wurde eine informative Auswahlbibliographie angehĂ€ngt, die aber die anderen MĂ€ngel nicht kompensiert. Die Liste der Ungereimtheiten in diesem Werk ist lĂ€nger als vorgestellt werden konnte, die Zeit jedoch knapp und so bleibt zu sagen, die Vision von Braun / Konersmann ist in der vorliegenden Version nur umrisshaft zu erkennen.
20.1.2011 |
Sigrid Gaisreiter |
Braun, Lucien. Bilder der Philosophie. Vorw. Ralf Konersmann. 200 S., 69 Abb., 24 x 17 cm, Gb. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2009. EUR 39,90 |
ISBN 978-3-534-21505-8
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