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Bildzweifel |
Das ähnlich gemachte Andere. Vom Risiko des „Bilderzweifels“
Wir leben mit Bildern und verstehen die Welt immer mehr durch Bilder – gerade auch und besonders dann, wenn wir die Welt, in der wir leben nicht mehr verstehen. Wenn „schreiben heißt, sein Herz waschen“ (Fritz J. Raddatz), was heißt dann überhaupt an (herrschenden) Bildern zu zweifeln? In der Reihe „Kleiner Stimmungs-Atlas in Einzelbänden“ des kleinen feinen Textem Verlages versucht Stefan Ripplinger in elf eng mit einander verbundenen Kapiteln das Geheimnis des Bildes in Form des produktiven Zweifelns auszuloten: ob das philosophische Zweifeln an der platonischen Wahrheit des Bildes, die Frage nach der angemessenen Wertung von Bildern, der Versuch Gottes die Grenzenlosigkeit in Bildern zu fassen, die politische Instrumentalisierung durch die vielfältigen Formen des Ikonoklasmus oder die Versuche von Marcel Duchamp die „herrschenden Bildregimes durch Bilder zu kreuzen“ (S. 76) – Ripplinger unternimmt einen schnellen, assoziativ bestimmten Parforceritt durch eine mehrere Jahrtausende andauernde Politik des Bilderzweifels, wobei der Autor gerade am Nichtpassen, die Diskontinuität und der Asymmetrie zwischen Bild und Gegenbild betont. Bilder, so kann mit zwischen den Zeilen Ripplingers lesen, aktivieren unterschiedlichste Bildfunktionen, wie sie etwa in komplexen Begrifflichkeiten wie „Ebenbild“, „Trugbild“, “Denkbild“, „Abbild“ usw. zum Ausdruck kommen. Ripplinger gelingt eindrucksvoll das Kunststück auf achtzig eng bedruckten Seiten den Leser auf eine eigenwillig realisierte Bild/ungsreise mitzunehmen. Der Leser wird - zum Glück - nicht mit fertigen Ergebnissen eines fachwissenschaftlichen Diskurses überfrachtet, sondern vielmehr mit ungelösten, widersprüchlichen und selbstzweifelnden Aussagen zu Bild-Verwendungen konfrontiert. Mit wachsendem Zweifel an dem, was ein Bild leistet, erkennt der Nutzer, wie man seinen Fallen entgehen kann. Wenn es gelingt, stören Bilder die herrschende Kommunikation. Oder, um mit einem vom Autor benutzten Wortbild zu enden: „Das Bild ist der Wurm im Apfel der Metaphysik.“
20.11.2012 |
Michael Kröger |
TEXTEM VERLAG. Ripplinger, Stefan. B - Bildzweifel. Eine Einzelstimmung. Idee von Steinegger, Christoph; Hrsg.: von Sdun, Nora; Bandel, Jan-Frederik. Pb. Textem Verlag, Hamburg. EUR 12,00. |
ISBN 978-3-941613-82-9
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