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Theodor Heuss und die Kunst |
Kein Buch der Überraschungen. Aber Lektüre die zeigt, welches kulturelle, künstlerische Identifikationspotential die Zeit zwischen 1900 und 1920 der jungen Bundesrepublik nach 1949 bot. Und welche Gegensätze sich ergaben, als ein von diesen Jahren geprägter Bundespräsident Theodor Heuss (1884-1963) mit seinem Verdikt gegen die abstrakte „Kunst der Gegenwart“ (1956, Vortrag) und eine erste deutsche internationale Kunstausstellung, die Kasseler „documenta“ (1955), aufeinandertrafen.
Doch zurück. Theodor Heuss als Politiker kennen wir, hier lernen wir, zwischen 1900 und 1960 und kursorisch, den Kulturbürger, Künstlerfreund und -förderer, Kunstpublizisten und Kulturpolitiker kennen. Für den Kultur immer Basis allen politisch verantwortlichen Handelns ist, das (deshalb) politische Extreme, Dogmen, Wahrheitsmonopole, Absolutheitsansprüche ausschließt. Und: alle künstlerischen. Ein Wertegerüst, das ebenso gegen politische Ideologien immunisierte wie gegen eine von ihm als dogmatisch und eher modisch als modern verstandene abstrakte Kunst. Ein Wertegerüst auch, aus dem sich ein schon früh und häufig formulierter Kunstbegriff ableitet, nach dem auch der kunstferne Betrachter im (immer als realistisch verstandenen) Dargestellten Wesen, Natur des Künstlers erkennen soll. Hier klingt der volkserzieherische Imeptus seines linksliberalen Mentors Friedrich Naumann an, der sich bei Heuss mit dem Fokus auf regional-nationale bildende Künstler verbindet. Was sich 1946, er ist württembergisch-badischer Kultminister (sic), auch an seiner Berufungspolitik für die Stuttgarter Kunstakademie zeigt. Aber Heuss wäre kein Liberaler, hätte er mit Willi Baumeister nicht auch einen „Abstrakten“ berufen, mit dem ihn bald einige Kontroversen verbinden sollen. Seine künstlerischen Favoriten, von ihm oft zeitlebens begleitet und häufig persönlich bekannt, sind, wie sich hier zeigt, andere: Maler wie Baluschek, Corinth, Hofer, Kandinsky, Kokoschka (der ihn1950 porträtiert) Klinger, Kollwitz, Leibl, Liebermann, Purrmann, Thoma, Bildhauer wie Heiliger (Heuss-Porträt 1960) und Marcks, die Architekten Poelzig und Behrens. Außerhalb Deutschlands van Gogh, Mondrian und, besonders, Munch.
Ein Kunstverständnis, das leserfreundlich strukturierte Abbildungen und das zeichnerische Ouevre des „vergnügten Dilettanten“ Heuss belegen. Beide illustrieren einprägsam die Textbeiträge, in denen sich das Agieren des begabten Netzwerkers in kulturell-kulturpolitischen Spannungsfeldern der Zwanziger Jahre und der Zeit nach 1945 exemplarisch-punktuell, nicht aber in zeitenübergreifender Kontinuität widerspiegelt. Aus einer eher regional bestimmten (Ausstellungs-)Perspektive mag das genügen. Ein breiteres Blickspektrum aber könnte den zeitgenössisch „verstaubte(n) Blick“ (Vorwort) auf den Protagonisten noch eindrucksvoller revidieren.
Begleitband zur gleichnamigen Ausstellung in der Kunsthalle Vogelmann/ Städtische Museen Heilbronn vom 15. März bis 29. Juni 2014.
28.03.2014 |
Wolfgang Schmidt, Berlin-Friedenau |
Theodor Heuss und die Kunst. Hrsg.: Borchardt, Stefan; Gundel, Marc. 220 S. 120 fb. Abb. 31 x 21 cm. Gb. Belser Verlag, Stuttgart 2013. EUR 29,95. CHF 43,50 |
ISBN 978-3-7630-2654-8
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