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László Moholy-Nagy – Briefe und Schriften

„Ich bitte Sie aber zu bedenken, was ein deutscher Philosoph folgendermaßen ausdrückte“, schrieb der niederländische Künstlerfreund und de Stijl-Propagandist Theo van Doesburg im Mai 1924 an den Bauhausmeister László Moholy-Nagy: „Der eine Sache am meisten liebt, kritisiert sie am meisten!“
Leider muss dieses Briefzitat aus dem zu besprechenden Buch der Rezension selbst vorangestellt werden, um auch hier den kritischen Tenor zu erläutern.
Was haben wir vor uns? ein handliches, schön gestaltetes Taschenbuch „László Moholy-Nagy“ mit dem vielversprechenden Untertitel „Briefe und Schriften aus der Zeit am Bauhaus“. – Tatsächlich ist eine Anthologie der Schriften des wegweisenden, aus Ungarn stammenden Bauhaus-Pädagogen, Künstlers, Anregers und unermüdlichen Experimentators ein Desiderat. Doch von dessen zahlreichen, verstreut publizierten Aufsätzen aus seiner Zeit am Bauhaus in Weimar und Dessau, die während der 1920er Jahre als Buch- und Zeitschriftenbeiträge in den Publikationen und Periodika der europäischen Avantgarde erschienen sind, findet sich in der vermeintlichen Anthologie nichts. Stattdessen Briefe und Postkarten von und an Moholy-Nagy von 1923 – dem Jahr der Berufung des Künstlers ans Bauhaus – bis 1946, das Jahr seines frühen Todes. Der Abdruck der auf die Zeit Moholys am Bauhaus, das er 1928 verließ, entfallenden „Schriften“ macht lediglich rund 30 der 175 Seiten des Bandes aus. Der Rest des Buches ist mit – durchaus faszinierenden, teilweise bislang unpublizierten – Lebenszeugnissen gefüllt, die sich durchaus spannend lesen, teilweise auch die Zeit des im Exil kurzzeitig existierenden „new bauhaus“ in Chicago beleuchten, aber den Untertitel des Buches kaum rechtfertigen. Tatsächlich bietet der Abdruck des Briefwechsels zwischen Walter Gropius und Moholy-Nagy aus dem Jahr 1937 und somit aus der Zeit vor Gründung des Exil-Bauhauses in Chicago den größten Gewinn der Edition.
Der von Gudrun Wessing zusammengestellte Band, der offenbar aus der langjährigen Beschäftigung der Kunsthistorikerin mit dem Werk des Künstlers, ihrer tiefen Verehrung für ihn und der besonderen Verbundenheit der Herausgeberin mit dessen Tochter Hattula Moholy-Nagy entsprungen ist, entpuppt sich jedoch als eine allzu subjektive Hommage an den kreativen Heroen. Er setzt bereits mit einem Vorwort ein, das, offenbar unlektoriert, das Lesevergnügen gefrieren lässt.
Die von dem Titel des Bandes geschürten Hoffnungen – Erwartungen an repräsentative Vollständigkeit, nachvollziehbare editorische Prinzipien oder den Anspruch an eine sorgfältig lektorierte Quellenedition – erfüllt er leider nicht. Dafür bietet er eine Anthologie an Äußerungen von und über László Moholy-Nagy und ruft leider erneut ins Bewusstsein, dass eine handliche Ausgabe sorgsam edierter „Briefe und Schriften“ des Meisters aus seiner Zeit am Bauhaus weiterhin fehlt.

03.12.2020
Rainer Stamm
László Moholy-Nagy. Briefe und Schriften. 2020. 176 S. 21,0 x 12,0 cm. Deutsch; Weimarer Verlagsgesellschaft, Weimar 2020. EUR 12,90.
ISBN 978-3-7374-0267-5
 
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