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HOFKÜNSTLER |
Martin Warnke (1937- 2019) gilt aus heutiger Perspektive als einer der bedeutendsten, deutschsprachigen Kunsthistoriker seiner Generation. Seine Habilitationsschrift "Hofkünstler. Zur Vorgeschichte des modernen Künstlers" aus den späten sechziger Jahren, die erstmals 1985 bei Dumont erschien, ist nun erneut - in ästhetisch höchst gelungener Gestaltung und Redaktion - vom Wagenbach Verlag publiziert worden. Mit seinem Opus Magnum setzte Warnke in ebenso eigenwilliger und für damalige Verhältnisse mutiger Weise Maßstäbe seiner Disziplin, die seinerzeit noch durch eher konservativ formästhetische Zugangsweisen dominiert wurde. Der Hofkünstler markierte für die Kunstgeschichte den Start einer grundlegend kunstsoziologischen Zugriffsweise, die - wie heute längst üblich - das Phänomen Kunst als ein Netzwerk aus Institutionen, Akteuren und Funktionen begreift. Warnke war wohl einer der erste Kunsthistoriker, der es vorbildlich verstand, soziologische Begriffe als Basis für ästhetische Konfigurationen wie etwa den Hof als spannungsreiches Gebilde zu konzipieren, in dem in erster Linie Künstler auf Ansprüche, Normen und Bedürfnisse reagierten, die die exklusiven höfische Welt des Adels kennzeichneten.
Ungewöhnlich für die damalige Zeit, in der in der Kunstgeschichte traditionell noch dem einzelnen Meisterwerk gehuldigt wurde, arbeitet Warnkes Hofkünstler strikt mit funktionalen, der Soziologie entlehnten, Begrifflichkeiten wie beispielsweise dem komplexen Terminus des "Anspruchsniveaus". Erstmals in höfischen Zusammenhängen entwickelten Künstler, so Warnke, ein Sensorium für ihre eigene Autonomie, Einzigartigkeit und politische Unabhängigkeit. Der am Hof tätige Künstler entwickelte sich zum Role Model des modernen Künstlers, der "immer auf der Höhe der internationalen Geschmacksentwicklung" (S. 311) bleiben mußte. Warnkes höchst aktueller Hinweis auf die damals entstehende Funktion von Kunstgeschenken im diplomatischen Kontext könnte aktueller nicht sein. Gerade heute spielt der veränderte Umgang mit Kunst eine soziologisch-politisch höchst brisante Rolle. Im Kontrast zur vormodernen und modernen Kunstauffassung spielt etwa der aktivistisch-spätmoderne Umgang mit dystopischen, tendenziell Kunst entwertenden Negationen des einst so einzigartig exklusiven Mediums eine Rolle. Dass heute beispielsweise die kunstkritischen Klima-Aktivsten auf ihre Ziele aufmerksam machen, indem sie symbolisch die Aura von Meisterwerken öffentlich stören und entwerten, hätte Martin Warnke heute sicher mit stiller Genugtuung beobachtet: Nur mit einem grundsätzlich soziologischen, rezeptionsästhetischen Zugriff lassen sich neueste Transformationen im globalen Kunstfeld angemessen betrachten. Der "Hofkünstler" wirkt immer noch nach: er hat ohne Zweifel seine einst amtlich verbriefte Exklusivität eingebüßt - eine Nachfolge haben heute Sozialfiguren wie Influencer - , Podcaster- und andere VermittlerInnen angetreten. Kunst ist längst dabei seinen alten ursprünglich einmal auch höfisch geprägten Anspruch in etwas Neuartiges zu verwandeln.
01.12.2025
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| Michael Kröger |
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Hofkünstler. Zur Vorgeschichte des modernen Künstlers. Warnke, Martin. Nachwort von Michels, Karen; Vorwort von Bredekamp, Horst; Bormuth, Matthias. 450 S. 21,5 x 13,5 cm. Gb.Wagenbach Verlag, Berlin 2025. EUR 42,00. |
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ISBN 978-3-8031-3760-9
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