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Künstlerinnen |
Isabelle Graw (Jahrgang 1962), Redakteurin und schließlich Herausgeberin der "Texte zur Kunst", ist schon seit den 1990 als wortgewandte Kunsttheoretikerin aufgefallen. Nun als Professorin für Kunsttheorie an der Städelschule Frankfurt hat sie das Ergebnis langjähriger Forschungsarbeit unter dem Titel "Die bessere Hälfte. Künstlerinnen des 20. und 21. Jahrhunderts" niedergeschrieben. Damit veröffentlicht sie keinen weiteren Beitrag zur wesensbedingten oder biologischen Andersartigkeit von Frauen oder zur Entdeckung verkannter Künstlerinnen, stattdessen reflektiert Graw über etablierte Künstlerinnen - dezidiert in subjektiver Auswahl - im gesellschaftlichen Ausschnitt "Kunstbetrieb".
Gleich eingangs erklärt Graw äußerst knapp und präzise das von ihr ausgeworfene Theorienetz. Im Folgenden ist ihre saubere Denke das Geländer, an dem sie den Leser durch Künstlerviten, Etablierungsprozesse und Kunstvermarktung geleitet. Drei Einblicksschneisen entsprechen drei Kapitel. Im ersten reflektiert Graw künstlerische Prozesse als Aneignungsverfahren. Sie geht hierbei von Marcel Duchamp aus, der mit seinen readymades den Raum der Aneignung in Richtung Warenwelt erweiterte. So werden der Akt der Auswahl des Objektes und der Akt der Aneignung zum künstlerischen Verfahren. War Frauen im 19. Jahrhundert noch der Zugang zu Akademien und damit zu Aneignungsmöglichkeiten verwehrt, erheben in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts vor allem amerikanische Künstlerinnen, wie Sherrie Levine und Cindy Sherman, unterschiedliche Aneignungsstrategien zum zentralen Kunstmoment.
Im zweiten Kapitel - Frauen am Machtpol - geht Graw der Bedeutung von Kunstzentren - sowie seit den 90er Jahren auch von Mobilität zwischen ihnen - für die Produktion von Kunst und deren möglicher Anerkennung sowie deren Funktion als einflussreicher Resonanzraum nach.
Unter der Kapitelüberschrift "Ausnahmefrauen" schließlich entfaltet sie ein breites Spektrum an Beobachtungen, etwa über die Funktion der künstlerischen Richtung und Gruppe bei der Etablierung einer Künstlerin, oder über die Regeln, anhand derer die Ausnahmefrau als anders gemessen wird, über die Abhängigkeit und Nutzung von Konnotationen des Begriffs "Ausnahmefrau", die Analyse der tatsächlich anders als beim männlichen Künstler gearteten Lebenssituation der Künstlerin, aber auch über die Etikettierung als einer besonders perfiden Form der Ausgrenzung.
Graw gelingt es, das Zusammenspiel unterschiedlichster Faktoren innerhalb des Kunstbetriebes darzustellen, sie schlüsselt - einzelne Werke analysierend - die wesentlichen sie konstituierenden Bezüge sowie die eigengesetzlichen künstlerischen Impulse auf und stellt die prozessuale Kreation von Anerkennung und Etablierung von Künstlerinnen dar. Das Buch ist ein guter Beleg dafür, "dass die Kenntnis von Rezeptionsgeschichte und Stellung innerhalb des Kunstbetriebes für ein angemessenes Verständnis der Arbeit unverzichtbar sind".
29.1.2004 |
Annegret Winter |
Graw, Isabelle: Die bessere Hälfte. Künstlerinnen des 20. und 21. Jhs. 250 S. 50 Abb.. Gb Dumont, Köln 2003. EUR 19,90 |
ISBN 3-8321-5961-4
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