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Richard Neutra. Seine europäische Bauten

Architektur als Seelenerfrischung.

Warum lieben wir die Bauten von Richard Neutra? Vielleicht, weil sie so sehr nach menschlichen Maßstäben gefertigt sind. Viel tut der Architekt dafür, damit sich die Bewohner seiner Bauten wohl fühlen. In den USA wurde der gebürtige Österreicher zum Architektur-Star – weniger bekannt ist sein spätes in Europa entstandenes Werk. Im Sommer war zu diesem Themenkomplex eine große Neutra-Schau im MARTa Herford zu sehen – wer diese verpasst hat, kann jetzt den Katalog erwerben.

Ein wenig Biografisches: Geboren wurde Neutra 1892 in Wien, wo er bei Adolf Loos studierte. Anfang der zwanziger Jahre wechselte Neutra zu Erich Mendelsohn in Berlin, 1923 emigrierte er in die USA und startete – zuerst noch im Büro von Frank Lloyd Wright – seine Weltkarriere. Seit dem Jahr 1958 entstanden wieder Bauten in Europa. Ein Ferienhaus in Ascona, zwei Villen in Wuppertal, weitere Villenbauten in Deutschland, der Schweiz und Frankreich, dazu Wohnhaussiedlungen in Walldorf und in Quickborn. Einige andere Bauvorhaben wurden nicht realisiert. Alle diese Bauten werden in dem Buch vorgestellt – und in Beziehung gesetzt zu den in den USA entstandenen Präge-Bauten.

Denn tatsächlich variiert Neutra in Europa auf virtuose Weise seine bereits in den USA, vor allem in Südkalifornien geprägte Architektur: seine typischen Deckenbalken, der Einsatz von Lamellen, das Miteinander von Architektur, Garten, Wasser und Landschaft, die Arbeit mit Spiegeln und Glasflächen. Ein Haus, sagte Neutra einmal, solle eine „immer neue Seelenerfrischung“ sein. Und das ist es auch, was Neutra zu einem ganz ungewöhnlichen Baumeister des 20. Jahrhunderts macht: Er hat stets den Menschen, sein Wohl im Blick.

Das bei DuMont erschienene Buch versammelt Planzeichnungen, Entwürfe, Fotografien der Bauten, Abbildungen von Modellen und Texte – die Neutra als einen überaus sinnlichen Architekten vorstellen, der gleichermaßen von der traditionellen Baukunst Japans, wie etwa auch von der holländischen De Stijl-Bewegung beeinflusst war. Das Buch besticht auch durch die Arbeiten des niederländischen Architekturfotografen Iwan Baan, aber auch durch viele historische Fotodokumente.

Es ist das erste Buch, das sich den späten Bauten Richard Neutras widmet, ein Buch das die Schönheit dieser Architektur noch einmal vor Augen führt: das Miteinander von Innen und Außen (unglaublich etwa der Ausblick über das Jungfrau-Massiv aus dem 1964 vollendeten Haus Rentsch), das Miteinander von Mensch und Natur, die ausgewählte Feinheit der Materialien und Möbel, eine vollendete Farbgestaltung, eine überzeugende Lichtregie – all das lässt uns Neutra als einen Architekten erscheinen, der gleichermaßen auch Innenarchitekt war.

In Südkalifornien entstanden Neutras bekannteste Bauten, wie etwa sein „Lovell Health House“ von 1929 – Bauwerke, die auch durch die Fotografien von Julius Shulman Architektur-Geschichte geschrieben haben. Doch man muss gar nicht so weit reisen, um Neutra-Architektur zu sehen: Dieses Buch macht Lust, Neutras europäische Bauten zu besuchen. „Man stelle den Menschen in eine Verbindung mit der Natur; dort hat er sich entwickelt und dort fühlt er sich besonders zu Hause.“ So hat Richard Neutra seine Bau-Philosophie einmal zusammengefasst.

15.11.2010

Marc Peschke
Richard Neutra. Neutra in Europa. Bauten und Projekte 1960 - 1970. Hrsg. v. Leuschel, Klaus. 240 S., 150 fb. Abb., Gb Dumont, Köln 2010. EUR 39,95
ISBN 978-3-8321-9286-0
 
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