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Die Architekten Bruno und Max Taut

Eher dem Mittelfeld als, wie die häufig elitären Bauhäusler, der Phalanx der klassischen architektonischen Moderne zuzuordnen, zeigt Unda Höner in ihrer Biographie die Qualitäten dieser beiden Architekten: Bauen aus sozialem Impetus, das auf solide-praktischer handwerklicher Ausbildung basiert und sich in neuen klaren Formen ausdrückt. Dieses Credo gilt für beide Brüder, dem in den Zwanziger Jahren Wohnsiedlungen (so die Hufeisensiedlung, Onkel-Toms-Hütte in Berlin) gestaltenden Bruno, und Max, der Gewerkschafts- und Genossenschaftszentralen baute. Ihr Lebensweg könnte freilich unterschiedlicher nicht sein: Max, bodenständig-realistischer Planer und Organisator, bleibt zwischen 1933 und 1945, boykottiert und nur noch „Architekturjobber“ (Selbstcharakteristik) in Deutschland, der Idealist und „Kulturbolschewist“ Bruno Taut muss nach einem enttäuschenden Jahr in Stalins Moskau (1932/33) für drei Jahre nach Japan (1933-1936) fliehen und wird erst wieder in der Türkei Atatürks arbeitswütiger Projektant von Schulen und Universitätsgebäuden (Universität Ankara, Fachbereich Literaturwissenschaften, 1938). Der – ein?- Preis für dieses nicht zeituntypische Exilantenleben: „Heute ist es schwer zu leben…. Das Heim gibt es nur in uns selbst“ schreibt kurz vor seinem Tod 1938 einer, der mit seinen Häusern und Siedlungen so vielen auch Heimat gab. Ein nüchternes, wenn nicht bitteres Fazit.

Und Max? Der kann im West-Berlin der Nachkriegsjahre als ein eher bei seinen Studenten als bei Verwaltungen beliebter unkonventioneller Hochschullehrer reüssieren, nicht jedoch als Architekt – und baut deshalb Nachkriegsmoderne in Bonn (Reuter-Siedlung) und im Ruhrgebiet, nichts Herausragend-Ungewöhnliches verglichen mit seinem expressionistischen „Grabmal Wissinger“ von 1922 (Friedhof Stahnsdorf). Er stirbt 1967 in West-Berlin und 1995 im Ostteil Berlins sein Neffe Heinrich, ein DDR-treuer lebenslang suchender marxistischer Theoretiker und so auf andere Art ebenso heimatloser Weltenwanderer wie sein in Istanbul begrabener Vater.
Und die Frauen der beiden? Dass es drei für die beiden Brüder sind ergibt ein weites Feld für hier ausführlich dokumentierte lebenslange, schmerzlich-heftige Gefühlsmelangen, Streit, Eifersucht, Neid, Ärger, Trauer, Glück und damit all das, was jeder Leser selbst kennt und von einer Biographie vielleicht auch erwartet.
Und die ist gelungen. Sie öffnet den Blick auf Nebenstraßen der architekturgeschichtlich Bauhaus-dominierten Zwanziger Jahre, ist in ihren besten Teilen lebendig werdende Kulturgeschichte, Architekturführer, und, durch ihre anschauliche, nüchtern-unprätentiöse Materialaufbereitung eine Herausforderung an unser eigenes Urteil. Was kann man von einer Biographie mehr erwarten?

15. 4. 2012
Wolfgang Schmidt, Berlin-Friedenau
Hörner, Unda. Die Architekten Bruno und Max Taut. Zwei Brüder – zwei Lebenswege. Mit unveröffentlichten Aquarellen und Zeichnungen der Taut-Brüder!. 250 S. 48 Abb. davon 8 fbig. 21 x 15 cm. Gb. Dietrich Reimer, Verlag Berlin 2011. EUR 14,90
ISBN 978-3-7861-2662-1   [Gebr. Mann Verlag]
 
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