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Das Thomas-Mann-Haus in Pacific Palisades

Ein Haus stellt sich vor.
Zuerst in einem fiktiven Hausdurchgang mit dem Bauplan, hat doch der Autor all die Räume dieses zweistöckig-weißen, 400-Quadratmeter-Exil-Domizils von Thomas Mann (1942-1952) nie gesehen. Abschließend eine zweiseitige Chronologie zu Hauskauf- und bau. Dazwischen zweihundertfünfzig Seiten essayistische Spurensuche nach Absichten und Befindlichkeiten seines Erbauers, seiner Frau. Spurensuche auch nach vielen von all jenen, die in dieser Zeit mit diesem Haus irgendwie zu tun hatten. Architekten, Baumeister, Hausmakler, der Gärtner, das so häufig wechselnde Dienstpersonal, Nachbarn, Freunde. Und immer mit dabei ein sprachvirtuoses Spurenfinden in Geschichten mit oft erstaunlichen Koinzidenzen zwischen persönlichen, lokalen und welt-politischen Umständen, Ereignissen. Ein Haus wird in die Beziehungen zu seiner Zeit eingewoben.

Auch Thomas Man wird eingewoben als er 1938 in die USA kommt. In das alt-neue Beziehungsgeflecht einer sich schon vor 1933 nach Kalifornien transferierenden Weimarer-Zeit-Kulturelite, Baumeister und Architekten eingeschlossen. Richard Neutra zum Beispiel, der sich schon 1938 dem noch gar nicht bauwilligen Dichter als Architekt andient. Eine bekannte Episode, auf die sich jedoch das Mißfallen Manns an späteren Vorschlägen modernistischer architektonischer Konzeptionen gründet. Schnell abgelehnte Baupläne eines amerikanischen Bauunternehmers markieren ein Zwischenspiel, dem intensive Beratungen mit dem von Mann ausgewählten Architekten Paul Lazlo folgen. Doch beide, der geduldige Lazlo und Thomas Mann, kapitulieren schließlich vor sich ständig ändernden Bauplänen und nicht ausreichenden finanziellen Mitteln. So dauert es bis 1941/42, bis der Bauunternehmer Ernst Moritz Schlesinger und der Architekt Julius Joseph Davidson Thomas Manns Villa im gemäßigten international style bauen. Und auch hier konturiert der Autor den Architekten wieder jenseits der bloßen Baugeschichte. Versteht sich doch Davidson als Gesamtkomponist, der jedoch das Villeninnere nicht einrichten darf und deshalb diese Prominenten-Villa zeitlebens nie als Referenzobjekt anführt. So souverän ist Paul Huldschinsky nicht, der von Mann ausgewählte Innenarchitekt; für ihn verfaßt er einen Referenzbrief. Und so wird die Villa aus modernistischer Perspektive, wie ein europäisch-unmoderner, großbürgerlicher Kokon ausgestattet, Seven Palms innen Alte und außen Neue Welt. Nur einmal in dieser Baugeschichte zeigt sich der Bauherr noch zufriedener. Als ihm der schon in Europa erfolgreiche Theodor Löwenstein seinen Garten konzipiert und einrichtet.

Schließlich die Fotografien, entstanden vor dem Umbau (2016/17) der Villa in eine seit 2018 transatlantische Stipendiaten-Begegnungsstätte der Bundesrepublik Deutschland. Offene Türen zeigen in leere Räume. Das Transitorische der Villa im Bild, Anfang und Ende, Beginn und Abschied, die ja immer zusammenfallen. Zugleich bildgewordenes Dokument des Transitorischen in dieser großbürgerlichen Exilexistenz, Hinweis auf Thomas Manns Abreise in die Schweiz 1952, den Verkauf des Hauses 1953.

Baugeschichte, nuanciert essayistisch und fotografisch konturiert. Doch nicht zu vergessen all die hier eingebetteten hintergründigen Einblicke, Bemerkungen zu den Reaktionen des Dichters auf seinen amerikanischen Alltag. Verweisen sie doch, wie diese Baugeschichte, auf die Grenzen dieses Großen.
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21.11.2018
Wolfgang Schmidt, Berlin-Friedenau
Seven Palms. Das Thomas-Mann-Haus am Pacific Palisades / The Thomas Mann House in Pacific Palisades. Nenik, Francis. Fotograf Stumpf, Sebastian. 320 S. 18 x 23 cm. Pb. Spector Books, Leipzig 2018. EUR 28,00.
ISBN 978-3-95905-180-4
 
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