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Deutsch-dänische Verbindung

In der dänischen Kunstgeschichte gilt Christian Frederik Hansen (1756 -1845) als kongenialer Dioskur des Bildhauers Berthel Thorvaldsen. Für die deutsch-dänischen Kulturbeziehungen ist er einer der großen Integrationsfiguren und in der rotierenden Stilgeschichte zwischen 1780 und 1840 ist er der Wahrer, der echte Klassizist. C. F. Hansen, Dänemarks prominentestem und produktivstem »klassizistischen Baumeister« haben Hakon Lund und Anne Lise Thygesen eine opulente Monographie gewidmet.
Hansen gab dem klassizistischen Kopenhagen Gestalt. Er errichtete Schloß Christiansborg und die durch Thorvaldsens »Segnenden Christus« bekannte Frauenkirche. Mit dem Ensemble von Rat- und Arresthaus schuf er das größte Bauprojekt, das die dänische Hauptstadt je zu vergeben hatte. Er baute Sozialwohnungen und Armenstiftshäuser, deren wohlproportionierte Fassaden zwischen klassizistischer Strenge und Spartanismus die Mitte halten und gestaltete nach dem Bombardement durch die Engländer 1807 ganze Quartiere neu.
In Schleswig errichtete Hansen die erste, eigens für ihre Bestimmung entworfene Heilanstalt Nordeuropas, einen klösterlich anmutenden Komplex mit Wandelgängen und begrünten Innenhöfen. Und das heute zu Hamburg gehörende Altona dankt ihm seine schönste Stadthaus-Zeile, die Palmaille sowie acht seiner besten Landhäuser an der Elbchaussee (vier existieren noch).
Hansens Werk ist ein Werk im Umbruch vom Dänemark des gemäßigten Absolutismus (Enevaelde) zur Massenarchitektur der frühesten Mietshauszeilen. Stilistisch subtil komponierte Entwürfe stehen neben scheinbar rein funktionalistischen Bauten. Allen gemeinsam ist die persönliche Formensprache Hansens, die allerdings schwer zu benennen ist. Verglichen mit seinen europäischen Zeitgenossen vollzieht Hansen die in der Romantik aufkommende Stilverunsicherung nicht mit. Dennoch ist seine sechzigjährige Bautätigkeit nicht so statisch, wie sie bei flüchtiger Betrachtung erscheint. In seiner frühen Zeit verarbeitet Hansen Motive der Revolutionsarchitektur Ledoux’ (Haus Lawätz, Landhaus Böhl, beide Elbchaussee), später baut er in Holstein Georgian Houses (1974 abgebrochen) und einen runden Wohntempel mit Reetdach (Landhaus Gebauer, Hamburg-Othmarschen), dessen norddeutsche Exotik weder in der für Hansen obligatorisch herbeizitierten Vorbildstellung des »Vignolismus und Palladianismus« seine Wurzeln hat, noch mit dem »nordischen Stil« in Verbindung gebracht werden kann.
Hansen handelte höchst ökonomisch und hätte sich selbst nie als Künstler empfunden, obwohl er Kontakte zu Schinkel, Klenze oder Friedrich von Gärtner pflegte. Dass er keinen »Blick in Griechenlands Blüte« wie Schinkel für sein »Spree-Athen« und keine Propyläen an der Isar projektierte, sondern sich Kopenhagen eher durch Hansens urbanistisch klassizistische Stadtstruktur einprägt als durch Solitärbauten, hat mit diesem Selbstverständnis zu tun.
Das Vorgehen der Autoren, jedes Objekt vom Gartentempel bis zum Schloßbau mit Arkribie zu beschreiben, erleichtert den Einblick in Besonderheiten und Eigenheiten im Werk Hansens, das mit Begriffen wie »Stereometrie« oder kubische Geschlossenheit nur unzulänglich umschrieben ist.
Die großformatigen und farbigen Baupläne und Abbildungen laden zum Studium ein und bringen uns diesen dänischsten aller dänischen Architekten in einer Zeit nahe, in der die Beschäftigung mit dem Bauen um 1800 so etwas wie eine "rückwärts gewandte Utopie" geworden ist.
Jörg Deuter
Hakon Lund; Anne Lise Thygesen: C.F. Hansen. 2 Bände, 708 S., 55 meist fb. Abb.1999. EUR 155,-
ISBN 3-422-06247-5
 
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