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Der dorische Stil in der deutschen Baukunst

Die Säule ist, so belehrt uns ein kunsthistorisches Lexikon, "ein System zur Gliederung, Proportionierung und Ausschmückung eines Bauwerks". Dass die zunächst einmal ganz simpel ein Stützglied ist, versteht sich von selbst. Dass Säulen aber auch, ja gerade Belege schlechthin für die Auseinandersetzung mit der Antike sind, diesem Aspekt geht Erik Forssman nach. Hatte er schon 1956, als wohl erster überhaupt, das Nachleben von Säule und Ornament in den Säulenbüchern des Manierismus untersucht, so widmet er nun der "Dorica" allein ein eigenes Buch. Dieses hat den Charakter eines rasch und in schöner Dichte informierenden Handbuchs, und der Autor bezeichnet es allzu bescheiden als echtes Alterswerk, weil es eine Überschau über die lebenslange Beschäftigung mit dem Bau- und Bedeutungsträger Dorica gibt. Daß ein Zeughaus eine Dorica erforderte, ein Rathaus ionisch dekoriert zu sein hatte, ein Schloßportal aber in vielen Fällen wieder dorisch gestaltet werden mußte, folgt festgelegten Konventionen, die in den Säulenbüchern der Renaissance und des Manierismus ihre Grundlage haben. Diese Säulenbücher fanden um 1540 ihren Weg nach Mitteleuropa. Und so verwundert es nicht, daß Dürer mit der Zuordnung der Ordnungen doch Schwierigkeiten hatte, während sein Zeitgenosse Burgkmair schon Auslandserfahrung genug besaß, um die wohl erste einigermaßen exakte Säulendarstellung der deutschen Kunst zu geben, eine Corinthia, immerhin 1507. In der Baukunst sollte es etwas länger dauern: Der Italienische Bau in Landshut zeigt die erste modifizierte Dorik als toskanische Ordnung auf Deutschem Boden (1536), die erste präzis rezipierte Dorcia finden wir um 1530 in Ijsselsteyn bei Utrecht. Und genau das ist es, was an Forssmans Buch besticht, jenes exakte Wissen.
Aber auch Themenübergreifendes läßt aufhorchen, so wenn der Autor den Architekturbuchillustrator Wendel Dietterlin als bedeutendste Graphikerpersönlichkeit zwischen Dürer und Rembrandt auszeichnet oder wenn er die direkte Übernahme aus den Säulenbüchern in Landbereichen stärker ausgeprägt findet als in den Zentren: " Je weiter man von den Zentren der Ereignisse entfernt war, desto größer die Angst, es falsch zu machen (...) ein Beitrag zum Problem der zentralen und peripheren Kunstlandschaften überhaupt."
Mag die Dorik also traditionell auch die niedrigste, martialischste und abweisendste der Säulenordnung gewesen sein, spätestens mit der Wiederentdeckung Paestums wurde sie am stärksten fashionable. Forssmans Landsmann Ehrensvärd ist der Schöpfer der wohl archaischsten Dorcia der Kunstgeschichte, die "Revolutionsarchitektur" zeitigte einen neuen Dorismus, der die Malerei ebenso ergriff wie Möbelkunst und Interieur. Und, ungeachtet der pessimistischen Prognose am Schluß, scheint die Totgesagte immer noch lebendig, an Stirlings Stuttgarter Staatsgalerie und in James Emmilton Finleys Little Sparta.
Das Buch ist in einem wohltuend klaren, ruhigen Deutsch geschrieben und erfordert nichts als ein durch Faktizität belohntes Interesse am „Lebensweg" eines architektonischen Gestaltungselementes. Und, lieber Herr Professor Forssman, wenn sich ein Rezensent abschließend eine Bitte erlauben darf: Wir wünschen uns noch mehrere solcher hochinformativen "Alterswerke" aus ihrer Feder. Ionica und Corinthia sind doch gewissermaßen vorprogrammiert.


Jörg Deuter
Erik Forssman, Der dorische Stil in der deutschen Baukunst. 154 S mit zahlr. Abb. Rombach Wissenschaften: Reihe ArchiPictura Bd. 1) Euro 25,46
ISBN 3-7930-9296-8
 
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