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Lernen von Las Vegas

Bei einem Streifzug durch die neuen Veröffentlichungen im Bereich der Architekturtheorie fällt einem die Neuauflage des Klassikers von Robert Venturi, Denise Scott Brown und Steven Izenow "Lernen von Las Vegas" in die Hand und provoziert die Frage, ob das Werk heute noch - nach Moderne und Postmoderne - Bestand hat. Die Antwort nach Lektüre von 213 Seiten lautet uneingeschränkt: ja !
Die Abhandlung zieht ihren Leser nach wie vor mit ihrer erfrischenden Respektlosigkeit, mit ihrer Lust am Provozieren und ihren überraschenden Erkenntnissen in ihren Bann. So etwa, wenn der antike Konstantins-Triumphbogen mit einer Reklametafel am Strip von Las Vegas strukturell gleichgesetzt wird. Die Autoren betrachten die kommerzielle Gebrauchsarchitektur und Werbung in Las Vegas, um Anregungen für die Wiederentdeckung des Symbolischen in der Architektur zu gewinnen. Eine ihrer zentralen Thesen besteht darin, dass gerade die Austreibung alles direkt Symbolischen und Ornamentalen im Zeitalter der modernen Architektur Gebäude insgesamt zu einem einzigen Symbol oder Ornament gemacht habe. Ohne dass die Architekten der Moderne sich dessen bewusst gewesen seien, hätten sie neue Symbole geschaffen bzw. sich beim Entwurf von Gebäuden der Symbole der Zeit der industriellen Revolution bedient. " ... das Doppel-T-Profil auf den feuerfesten Rahmenträgern Mies van der Rohes beispielsweise ist von genauso komplizierter Ornamentik wie die vorgeblendeten Pilaster an einer Stütze der Renaissance oder das scharf herausgeschnittene Profil eines gotischen Pfeilers" ( Seite 129 ).
Dem entgegen plädieren die Autoren für Symbolismus in der Architektur in der bewährten Form des "dekorierten Schuppens". Damit würde Raumprogrammen und Konstruktionen keine Gewalt angetan. Damit würden Widersprüche zwischen dem Symbolismus des Technologischen und des Funktionalen einerseits und den tatsächlichen Ansprüchen der Funktionen andererseits vermieden. Widersprüche, wie sie sich etwa äußern in : " ...'fließender Raum' für Wohnräume, Glaswände an der Wetterseite, Oberlichte von Fabrikhallen für die Gymnasien der Vorstädte, frei geführte Rohrleitungen, die dann vor allem Staubfänger und Schallbrücken sind, hoch gezüchtete Technik und in Massen produzierte Systeme für die unterentwickelten Länder und die besonders beliebten Abdrücke der Holzmaserung in den Sichtbetonflächen der Hochlohn-Länder" ( Seite 164 ). Venturi, Scott Brown und Izenow wenden sich gegen die "heroischen, um Originalität bemühten Gesten" und sehen die Masse der "hässlichen, gewöhnlichen, alltäglichen" Bauten als Material an, das zitiert, verfremdet oder konterkariert werden sollte.
Die Autoren plädieren für eine sozial engagierte Architektur, die mit knappen Mitteln "vernünftige" Gebäude schafft. Sie wenden sich nicht gegen Formensprachen mit symbolischen und rhetorischen Zusätzen, sondern fordern den bewussten, reflektierten Umgang mit letzteren. Und sie halten es für anachronistisch, in einer nachindustriellen Zeit vorindustrielle oder industrielle Bilder zu verwenden. "Um unseren Symbolismus finden zu können, müssen wir von den Mittelschichten geprägte Situationen an den Rändern bestehender Städte aufsuchen, die ... die Sehnsüchte fast aller Amerikaner repräsentieren ... Dann wird "die" Streu-Stadt, Los Angeles, unser Rom und Las Vegas unser Florenz sein ..." ( Seite 190 ).


Dieter v. Lüpke
Venturi, Robert /Brown, Denise Scott /Izenour, Steven: Lernen von Las Vegas. Zur Ikonographie und Architektursymbolik der Geschäftsstadt. Hrsg. v. Conrads, Ulrich /Neitzke, Peter. Unveränd. Nachdr. 2001. ca. 216 S., ca. 28 farb. u. ca. 146 schw.-w. Abb. - 19 x 14 cm. (Bauwelt Fundamente 53) Br DEM ca 44,-
ISBN 3-7643-6362-2
 
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